Quelle
https://steadyhq.com/de/u-m/about
Nord Stream, das WSJ und eine Frage
Der Bericht des Wall Street Journals geht rum: Selenskyj hat Nord Stream gesprengt.
Zumindest geht das herum, was andere daraus machen. Was ich mir aufgrund eines Abos ersparen kann.
Ich umreiße einmal, was wirklich im Beitrag steht.
Im May 2022 haben eine Handvoll hochrangiger ukrainischer Offiziere gefeiert, dass Russland aufgehalten wurde.
Einer kam dann auf die Idee, Nord Stream zu sprengen. „Halt mal mein Bier“.
Laut Teilnehmern an der Aktion soll diese lediglich 300.000 $ gekostet haben. Was privat finanziert wurde.
Selenskyj soll dem Plan zunächst zugestimmt haben. Die CIA soll von dem Plan erfahren haben, Selenskyj um absage gebeten haben und der soll das dann gestoppt haben.
Er war also sicher keine „Schlüsselfigur“, wie einige Zeitungen titeln.
Der damalige Oberkommandierende Walerij Saluschnyj soll den Plan weiter verfolgt haben.
Mehrere hochrangige Offiziere des Nachrichtendienstes SBU sollen den Plan dann umgesetzt haben. Genannt wird hier Roman Chervinsky, der gerade erst in der Ukraine im Gefängnis saß.
Dann folgt die Andromeda-Geschichte: Zivilisten und Militärs hätten die Yacht in Rostock gemietet. Dann hätten sie die Sprengkörper angebracht und Nord Stream hochgejagt.
Währenddessen habe Selenskyj Saluschnyj befragt. Dieser habe ihm aber gesagt, dass die Operation nicht mehr aufzuhalten wäre. Da bei jedem Kontakt die Aufdeckung drohe.
Im Oktober 2022 habe die CIA mit dem niederländischen Nachrichtendienst MIVD den BND informiert. Dabei wurden aber aus Gründen der Geheimhaltung keine Details weitergegeben.
Ein ungenannter deutscher Politiker soll gesagt haben
„Ein Angriff dieser Größenordnung ist ein ausreichender Grund, die Kollektivverteidigungsklausel der NATO auszulösen, aber unsere kritische Infrastruktur wurde von einem Land gesprengt, das wir mit massiven Waffenlieferungen und Milliarden in bar unterstützen.“
Ich schaue dabei gezielt Richtung Linke, da einige sich gestern auch öffentlich entsprechend geäußert haben.
Ich erlaube mir, skeptisch zu bleiben.
Der Beitrag ist hervorragend geschrieben und die Recherche bzw. die Nennung von Details geht weit über das hinaus, was deutsche Medien jemals veröffentlicht haben.
Ich weise jedoch nochmals darauf hin, dass ich recht wenig „biased“ bin. Weil es mir im Grunde völlig gleichgültig ist.
Für mich passen einfach nach wie vor einige Dinge nicht zusammen.
Zunächst beginnt auch das WSJ direkt mit einer Falschaussage. Nämlich, dass die Pipelines Russland „Milliarden in die Kriegskasse“ gespült hätten. Das ist falsch. Und ich komme mir langsam vor wie ein Idiot, weil alle es zu ignorieren scheinen.
Die Lieferung durch Nord Stream 1 war seit Monaten reduziert, zum Schluss bis auf 40%. Zum Zeitpunkt der Sprengung floss gar kein Gas mehr, wofür Russland Vertragsstrafen hätte zahlen müssen. Die Lizensierung von Nord Stream 2 war über ein halbes Jahr zuvor gestoppt worden, das Projekt war Geschichte, die Betreiberfirma in der Schweiz wurde aufgelöst.
Damit wird in der deutschen Öffentlichkeit umgegangen nach dem Motto: „Ach ja, die Grünen, die wollen da was, das kann man ja rückgängig machen.“ Die Lieferungen aus Russland waren bereits im Juli genau 0, es wurden Verträge geschlossen, inzwischen ist Norwegen der größte Lieferant, LNG aus den USA spielt kaum eine Rolle und – welch Überraschung – im Winter ist niemand erfroren.
Alle, die Ahnung vom Tauchen haben, haben mir inzwischen bestätigt, dass sie sich nicht vorstellen können, eine solche Aktion von einem solchen Boot aus durchführen zu können. Die Pipeline lag in bummelig 80m Tiefe.
Der Bericht beruht auf anonymen Quellen. Was grundsätzlich ok wäre. Aber es sind ausschließlich anonyme Quellen. So viele, dass man durcheinanderkommt.
Wenn ich es richtig interpretiere, haben vier ukrainische Offizielle anonym mit dem WSJ gesprochen. Und da frage ich mich doch: Warum? Sie müssen wissen, dass sie ihrem Land dadurch massiv schaden. Kann selbst ein slawischer Offizier so dermaßen dämlich oder selbstverliebt sein?
Mir ist es ein dringendes Bedürfnis darauf hinzuweisen, dass damit eben nicht Deutschland angegriffen wurde.
Es hat nicht auf deutschem Boden stattgefunden. Die Pipeline gehörte nicht Deutschland. Als gesprengt wurde, waren längst Alternativen in Arbeit.
Daher bin ich sicher, die ganze Nummer wird von pro-russischen Argumentatoren zum Skandal gepuscht, weil es gegen die Ukraine geht. Selenskyj ist ja eh das Feindbild. Und die Medien können damit ihre vermeintlich derben Rechercheskills nutzen, um Klicks zu generieren. Anneliese aus Castrop-Rauxel versteht am Ende des Tages, die Ukraine hätte Deutschland angegriffen.
Wenn Deutschland sich derart abhängig von einer Diktatur macht, dann ist Deutschland selber schuld. Danke Merkel. Und dann sollten wir uns alle ein Loch in den Arsch freuen, dass wir die Kurve bekommen haben.
Sollte das wirklich so abgelaufen sein, dann ziehe ich meinen Hut vor den besoffenen Offizieren. Ein Coup für die Geschichtsbücher.
Zutrauen würde ich es ihnen. Wer das nicht versteht, schaue einmal kurz nach Kursk.
Die Ukraine und der Westen kommen mir gerade so vor, wie ein Oberleutnant - gerade von der Uni - der pädagogisch ausgefeilt erklärt, wie man ein Rad wechselt. Mit Zeigestock und Prjektor. Und ein Unteroffizier, der in die Hände spuckt, sich zwei Mannschafter nimmt und das Rad eben wechselt.
Mir fehlt schlicht der Glauben. Denn den einzigen Vorteil der Aktion sehe ich bei Russland. Auch dadurch, dass wieder alle aufgeregt darüber debattieren.
Eine Frage kann ich nicht auflösen:
Warum haben Selenskyj, Saluschnyj oder der SBU nicht einmal vorher „Nord Stream“ gegoogelt, gesehen, dass Russland damit gar nichts mehr verdient und Risiko und Nutzen abgewogen?