Wichtig: geänderte Vorschriften zum Kindesnachzug

Geheiratet - und wie weiter? Wie kommt der Ehepartner nach Deutschland? Oder vielleicht besser in die Gegenrichtung, Übersiedlung nach Russland? Dürfen die Kinder mitkommen?

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manuchka
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Wichtig: geänderte Vorschriften zum Kindesnachzug

Beitrag von manuchka »

Durch einen Hinweis in einem anderen Beitrag (nochmals vielen Dank, Thorsten) bin ich auf wichtige Änderungen zum Kindesnachzug aufmerksam geworden - die Gegenüberstellung der alten und der neuen Fassung von §32 AufenthG findet man hier.

Die Änderung berücksichtigt u.a., dass in vielen Ländern eine vollständige Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil nur in Ausnahmefällen erfolgt und auch die deutsche Rechtsordnung im Regelfall bei Trennung oder Scheidung der Eltern die gemeinsame elterliche Sorge vorsieht (so hat es der Dt. Anwaltsverein formuliert).

Deshalb ist unsere FAQ zum Kindesnachzug, obwohl relativ frisch, schon nicht mehr aktuell. Entweder machen wir eine neue, oder wir ergänzen die vorhandene. Ich hab da schon mal was vorbereitet (wie im TV-Kochstudio :lol: ):

Ausgangslage ist, dass der russische Partner nach Deutschland möchte, aber minderjährige Kinder aus einer früheren Partnerschaft hat und gern mitnehmen möchte. Den Kindesnachzug regelt das Aufenthaltsgesetz (AufenthG):
(1) Dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, eine Blaue Karte EU, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt - EU besitzen.
Dort ist immer noch von beiden Eltern oder dem allein sorgeberechtigten Elternteil die Rede; geändert haben sich nur die Bezeichnungen der Aufenthaltstitel. Für Fälle, in denen auch nach der Trennung / Scheidung beide Elternteile sorgeberechtigt bleiben, wie das in Russland üblich ist, bringt jedoch Absatz 3 nun eine erhebliche Erleichterung:
(3) Bei gemeinsamem Sorgerecht soll eine Aufenthaltserlaubnis nach den Absätzen 1 und 2 auch zum Nachzug zu nur einem sorgeberechtigten Elternteil erteilt werden, wenn der andere Elternteil sein Einverständnis mit dem Aufenthalt des Kindes im Bundesgebiet erklärt hat oder eine entsprechende rechtsverbindliche Entscheidung einer zuständigen Stellevorliegt.
Das bedeutet, dass nunmehr eine (notarielle) Einverständniserklärung eines Elternteils ausreichend ist, damit das Kind zusammen mit dem anderen Elternteil seinen Wohnsitz ins Ausland verlegen kann. Wenn man keine solche Einverständniserklärung bekommen kann, sei es, weil der Elternteil dagegen oder nicht erreichbar ist, kann diese Erklärung durch eine "rechtsverbindliche Entscheidung einer zuständigen Stelle" ersetzt werden. Die Frage ist nun, welche Behörde oder welches Gericht in Russland dafür zuständig ist, welchen Antrag man dort stellen muss und wie eine entsprechende Entscheidung auszusehen hat. Ich versuch mal, das herauszufinden.

Für minderjährige Kinder ab einem Alter von 16 Jahren wurde der Nachzug ebenfalls vereinfacht:
(2) Hat das minderjährige ledige Kind bereits das 16. Lebensjahr vollendet und verlegt es seinen Lebensmittelpunkt nicht zusammen mit seinen Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in das Bundesgebiet, gilt Absatz 1 nur, wenn es die deutsche Sprache beherrscht oder gewährleistet erscheint, dass es sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann.
Deutsche Sprachkenntnisse bzw. Integrationsvoraussetzungen werden also nicht mehr generell gefordert, sondern nur, wenn das 16-jährige (oder ältere) Kind nachträglich und nicht bereits zusammen mit seinen Eltern oder einem Elternteil nach DE umzieht. Außerdem fällt das Erfordernis weg, wenn das Elternteil einen besonderen Aufenthaltstitel (Niederlassungserlaubnis / Blaue Karte EU) besitzt, selbst wenn das Kind später nachzieht:
Satz 1 gilt nicht, wenn
1. der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 oder eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 3 besitzt oder
2. der Ausländer oder sein mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebender Ehegatte eine Niederlassungserlaubnis nach § 19 oder eine Blaue Karte EU besitzt.
Die Härtefallregelung bleibt zusätzlich weiterhin bestehen:
(4) Im Übrigen kann dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es auf Grund der Umstände des Einzelfalls zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist. Hierbei sind das Kindeswohl und die familiäre Situation zu berücksichtigen.
Zu beachten ist, dass beim Nachzug von Kindern mit oder zu ihrem nicht-deutschen Elternteil immer der Lebensunterhalt der ganzen Familie gesichert sein muss (es sei denn, der deutsche Ehepartner, zu dem der ausländische Elternteil seine FZF macht, adoptiert vorher die Kinder des ausländischen Elternteils). Daran hat sich nichts geändert. Welche Anforderungen im Einzelfall gestellt werden, ist meines Wissens nach ortsabhängig. Als Orientierungswert hat Anelya folgendes dazu geschrieben:
Grob gesagt ist der Lebensunterhalt gesichert, wenn kein Anspruch auf Leistungen nach SGB II besteht. Du kannst also mal deine Daten in einen Hartz-Vier-Rechner eingeben (angeben, dass ihr 2 Erwachsene und 2 Kinder seid und rechne mit deinem Nettogehalt in Steuerklasse 3, denn in die kommst du dann und auch die Ausländerbehörde rechnet damit) und schauen, ob ein Anspruch rauskommt. Wenn ihr einen Anspruch haben werdet, wird es schwierig. Ansonsten ist alles im grünen Bereich.
Pro Erwachsenen werden im SGBII 345 in einer Bedarfsgemeinschaft angesetzt, also 690 Euro in eurem Fall.
Für die Kinder je 255 Euro.
Dazu noch ein angemessener Mietteil (musst du bei deinem Ort nachfragen wie hoch der bei euch ist, ist unterschiedlich je nach Kommune).
Ist dein Netto-Einkommen höher als 1200 Euro+eure Miete, dann ist der Lebensunterhalt gesichert. Bist du in einer Grauzone, dann lasse dich auf jeden Fall beraten, es gibt Freibeträge etc.pp, das soll nur mal ein grober Anhaltspunkt sein.
Ich habe aber auch schon von Fällen gehört, in denen ein Familieneinkommen von 2.500 Euro gefordert wurde - ich hab mich zu etwaigen Richtwerten noch mal im info4alien erkundigt und warte auf eine Antwort, melde mich hier, sobald ich was weiß.
Du erntest, was du säst.
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Norbert
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Re: Wichtig: geänderte Vorschriften zum Kindesnachzug

Beitrag von Norbert »

Bedeutet dies, dass das Kindeswohl keine Rolle mehr spielt, sobald der zweite Elternteil notariell zugestimmt hat? Das wäre ja eine fundamentale Änderung!
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Axel Henrich
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Re: Wichtig: geänderte Vorschriften zum Kindesnachzug

Beitrag von Axel Henrich »

Norbert hat geschrieben:Bedeutet dies, dass das Kindeswohl keine Rolle mehr spielt, sobald der zweite Elternteil notariell zugestimmt hat? Das wäre ja eine fundamentale Änderung!
Die Frage verstehe ich nicht ganz, mach mal ein Beispiel, wo das Kindeswohl in diesem Fall "gefaehrdet" waere. Bei einer Trennung wird das Kind ab einem gewissen Alter eigentlich immer Probleme bekommen, wenn es zu beiden Elternteilen eine gleich gute Beziehung hatte. Bei Trennung wird doch der Kindeswunsch bis zu einem gewissen Alter (14 ?) eigentlich immer "uebergangen". Geht ja auch fast nicht anders ...

-ah-
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Norbert
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Re: Wichtig: geänderte Vorschriften zum Kindesnachzug

Beitrag von Norbert »

Bislang war die fehlende Unterschrift des zweiten Elternteils nur einer der möglichen Hindernisgründe, die darauf hinwiesen, dass das Kindeswohl nicht gewährleistet ist. Siehe die aktuellen FAQ. Die weiteren waren die sprachliche und schulische Integration, etc.
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Re: Wichtig: geänderte Vorschriften zum Kindesnachzug

Beitrag von Berlino10 »

Da das für uns 2014 auch ansteht, Umzug mit Kind, interessiert es mich auch sehr.
Zwar hat der Vater seine Zustimmung angekündigt, aber wichtig ist es trotzdem zu wissen,
ob darüber ein Gericht oder Amt oder ... in RUS entscheidet ...
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manuchka
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Re: Wichtig: geänderte Vorschriften zum Kindesnachzug

Beitrag von manuchka »

Norbert hat geschrieben:Bedeutet dies, dass das Kindeswohl keine Rolle mehr spielt, sobald der zweite Elternteil notariell zugestimmt hat? Das wäre ja eine fundamentale Änderung!
Wenn der zweite Elternteil zustimmt, ist doch das Kindeswohl mehr als gewahrt! Mit dem Einverständnis erklärt er doch, dass es auch aus seiner Sicht für das Kind in Ordnung ist, wenn es mit dem anderen Elternteil umzieht. Gerade dadurch wird doch das Kindeswohl besser berücksichtigt als durch diese ehemalige formelle Voraussetzung, dass der umziehende Elternteil das alleinige Sorgerecht hat und es dadurch zu echten Konfliktsituationen kommt.

Wenn du übrigens mal die Gegenüberstellung der alten und der neuen Fassung von § 32 Abs. 1-3 AufenthG anschaust, dann findest du dort nirgends explizit das Kindeswohl aufgeführt, das steht nämlich in Abs. 4 bei den Fällen der besonderen Härte, in denen besonders das Kindeswohl zu berücksichtigen ist - und daran hat sich nichts geändert.
Du erntest, was du säst.
Frank1010
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Re: Wichtig: geänderte Vorschriften zum Kindesnachzug

Beitrag von Frank1010 »

Hallo Manuchka,

diese Neufassung des §32 AufenthG vom 06.09. ist ja schonmal ein bedeutender Fortschritt, denn bisher musste ein alleiniges Sorgerecht vorliegen (nach einem Urteil des BVG in 2009) bzw. konnte NUR die Härtefallregelung in Anspruch genommen werden (was wohl nicht in allen Fällen gewährleistet war/ist da eine kann-Klausel).

Problematisch ist aber wohl nach wie vor der Fall, wenn der geschiedene aber weiterhin sorgeberechtigte Elternteil seine Zustimmung zum Umzug verweigert. Dies ist aber generell im russischen Recht ein Paradox, denn der Elternteil, bei dem das Kind lebt, benötigt z.B. für jeden Urlaub ausserhalb Russlands weiterhin die Zustimmung des anderen sorgeberechtigten Elternteils. Und wenn der/die das Kind als Vehikel missbraucht um dem anderen Elternteil das Leben schwerzumachen, kann das Kind nie in den Urlaub verreisen ... Also das Kindeswohl fällt dabei im russischen Rechtssystem völlig hinten runter bzw. wird ad absurdum geführt.

Gruss
Frank
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Dietrich
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Re: Wichtig: geänderte Vorschriften zum Kindesnachzug

Beitrag von Dietrich »

Frank1010 hat geschrieben:Und wenn der/die das Kind als Vehikel missbraucht um dem anderen Elternteil das Leben schwerzumachen, kann das Kind nie in den Urlaub verreisen ... Also das Kindeswohl fällt dabei im russischen Rechtssystem völlig hinten runter bzw. wird ad absurdum geführt.
Wieso?
Das es sich nur in Russland gut leben lässt und man im Ausland den schädlichen Einflüßen von außerhalb viel stärker ausgesetzt ist, ist eine faktische Reisesperre doch genau das Richtige für das Wohl des Kindes.
Stell dir vor, im Ausland sieht das Kind, wie sich zwei Männer küssen und die dann doch tatsächlich NICHT verhaftet werden.... das könnte ja auf Ideen kommen....
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Re: Wichtig: geänderte Vorschriften zum Kindesnachzug

Beitrag von zimdriver »

Dietrich hat geschrieben:
Frank1010 hat geschrieben:Und wenn der/die das Kind als Vehikel missbraucht um dem anderen Elternteil das Leben schwerzumachen, kann das Kind nie in den Urlaub verreisen ... Also das Kindeswohl fällt dabei im russischen Rechtssystem völlig hinten runter bzw. wird ad absurdum geführt.
Wieso?
Das es sich nur in Russland gut leben lässt und man im Ausland den schädlichen Einflüßen von außerhalb viel stärker ausgesetzt ist, ist eine faktische Reisesperre doch genau das Richtige für das Wohl des Kindes.
Stell dir vor, im Ausland sieht das Kind, wie sich zwei Männer küssen und die dann doch tatsächlich NICHT verhaftet werden.... das könnte ja auf Ideen kommen....
@Frank1010: Das ist leider so. Es bedarf einiger Anstrengungen, unter solchen Bedingungen als Familie verreisen zu können. Und irgendwann ist jedes Kind volljährig.
@Dietrich: ... war schon spät, oder ...
Nikolaus
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Re: Wichtig: geänderte Vorschriften zum Kindesnachzug

Beitrag von Nikolaus »

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