Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

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Nikolaus
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Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von Nikolaus »

Norbert hat geschrieben:Der neue von Moskau eingesetzte Direktor hat es dann abgesetzt. Dies kann man in meinen Augen ohne schlechtes Gewissen als ein Verbot der Moskauer Behörden bezeichnen.
Die Gerichte hatten es hingegen ganz offiziell als unbedenklich eingestuft - und genau das ist es ja, was diesen Lärm erzeugt.
Naja, "die Gerichte" - das ist EIN Richter der 1. Instanz, oder!? Wie ist denn die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ausgegangen?
Na ich weiss nicht, bei uns in D koennte sich kein "Auch-Chef" erlauben, ein vom Konzern finanziertes Projekt gegen die Entscheidung der Konzernleitung weiterzufuehren. Ja, man kann das "Verbot" nennen, aber nicht irgendwelcher Moskauer Behoerden, sondern des dafuer zustaendigen Ministeriums fuer Kultur, das eben seine Meinung durchsetzt. Vielleicht moechte man einfach zu einer Deeskalation in Nowosibirsk beitragen!? Wie hoch ist denn dort gegenwaertig der Anteil der Glaeubigen an der Bevoelkerung? Bemerkenswert ist doch, dass wohl das "Большой" den Regisseur zu sich eingeladen hat. Vielleicht sind ja die Moskauer Glaeubigen Schlimmeres gewohnt und in ihrer Mehrheit weniger verletzbar?!
Nikolaus, nun enttäuschst Du mich. Dies war kein oppositionelles Käseblatt, sondern НГС, das größte lokale Newsportal in Novosibirsk, welches sich auch explizit keiner politischen Tendenz zugehörig fühlt. ... НГС gehört seit 2013 zur "ИнтерМедиаГруп / Hearst Shkulev Media", deren sonstige Publikationen (ELLE, Marie Claire, Cosmopolitan) nicht für oppositionelle Umtriebe bekannt sind.
Nun, ich habe mich natuerlich informiert, bevor ich an Berlino10 diese "provokatorische" Frage gerichtet habe. Und deshalb weiss ich auch, dass "Dein" Lieblingsportal Informationen aus anderen Internetportalen zusammentraegt, genauso wie analoge Portale derselben Gruppe in anderen Staedten (e1.ru, nn.ru, ...). Und dass Du in der Auswahl nicht die oppositionelle Richtung erkennen willst, erstaunt mich schon. Das Schema ist doch ganz einfach - man zitiert eben hauptsaechlich westlich orientierte oppositionelle Quellen. :) Ich hoffe ja, dass Deine Meinung nicht nur hiervon gepraegt wird, sondern hauptsaechlich von allseitigen Kontakten und Meinungen vor Ort, sonst erfaehrst Du wohl ueber die Situation dort nicht viel mehr, als wir fern von Nowosibirsk. Kostet ja alles Zeit.
Oder meinst Du, dass Hearst einen nennenswerten Profit aus Investitionen in solche russischen Internetportale erzielen kann!?
Was meinst Du eigentlich zu der Absetzung der Duesseldorfer Tannhaeuser-Inszenierung? ;)
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Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von Berlino10 »

Nikolaus hat geschrieben: Was meinst Du eigentlich zu der Absetzung der Duesseldorfer Tannhaeuser-Inszenierung? ;)
Ein Skandal, wie die meisten Medien damals kommentierten. Allerdings ging es da um die Drastigkeit von Gewaltdarstellungen, die dazu geführt hatte, dass sich 10 Besucher nach der Premiere ärztlich behandeln lassen mussten. Die Opernleitung hatte selbst gekniffen, das so fortführen zu wollen ..
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Wladimir30
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Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von Wladimir30 »

Dietrich hat geschrieben:
Dietrich hat geschrieben:Nun kommt mal wieder ein wenig runter.
Ich meinte auch nicht nur dich.
Na, das ist wohl der Ball in meine Richtung. Obwohl ich zu dem Thema nichts mehr sagen wollte, dann also hier doch mein Kommentar.

Ich bin der Meinung, dass beide Güter (Meinungsfreiheit, Kulturfreiheit auf der einen und Rücksichtnahmen auf den Glauben auf der anderen Seite) wichtige Güter sind. Ich wehre mich nur gegen die Wortwahl, die von "Ultraorthodoxen" spricht, von "religiösen Fanatikern", "aufgehetzter nationalistischer, kranker Pöbel", "Und die Gläubigen haben sich gefälligst ebenfalls zu zügeln" usw. usf. Solche Ausdrücke sind in ihrer vollkommen undifferenzierten Absolutheit nicht dazu angetan, eine inhaltich fundierte Diskussion zu betreiben, sondern heizen eine Debatte emtional auf, wo meiner Meinung nach vorsichtiges Abwägen am Platze wäre. Ich bin auch russisch-orthodox und ich empfinde derartige Äußerungen von jemandem, der sich mit den Besonderheiten des russisch-orthodoxen Glaubens nicht auskennt und sich zudem in Deutschland aufhält, als verletzend. Russisch-orthodoxe Gläubige haben genauso Rechte, die nicht an der Kirchentür enden, und wenn sie diese vertreten wollen, haben sie auch erstmal ein Recht auf freie Meinungsäußerung dazu.

Etwas anderes sind einige Tatsachen: erstens, dass diese Meinungsäußerung der Gläubigen offensichtlich instrumentalisiert wurde. Zumindest bekomme ich diesen Eindruck aus der Sekundärinformation. Zweitens die Tatsache, dass von politischer Seite aus die Kulturfreiheit rigoros eingeschränkt wird. Hier bin ich der Meinung, dass der Bogen von der politischen Führund unnötig weit überspannt wurde. Beide Aspekte gefallen mir auch nicht.

Die Diskussion, inwieweit die Kulturaufsicht seitens der Politik grunsätzlich richtig ist oder nicht, überlasse ich anderen.
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Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von klaupe »

Wladimir30 hat geschrieben:Die Diskussion, inwieweit die Kulturaufsicht seitens der Politik grunsätzlich richtig ist oder nicht, überlasse ich anderen.
Da bevorzuge ich eindeutig die amerikanische Lösung, wo Kultur im Prinzip "Privatsache" ist. Staatliche Bühnen oder Museen gibt es nicht, das wird alles von Stiftungen, Sponsoren und aus dem Geschäftsbetrieb finanziert.

Wenn den Gönnern etwas nicht gefällt, bleibt einfach das Geld aus und schon ist die Lösung gefunden.

Hier bemängelt man ja, dass darunter die Vielfalt der Kunst leidet, aber so einseitig und stockkonservativ kommt mir die Kunst in den USA auch nicht vor, eher im Gegenteil.

Es kommt ziemlich oft Mist heraus, wenn der Staat sich einmischt, sei es bei der Kultur oder in der Wirtschaft. Es bleibt genügend Spielraum, mit der Politik das Volk zu verärgern.
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Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von Wladimir30 »

klaupe hat geschrieben: Es bleibt genügend Spielraum, mit der Politik das Volk zu verärgern.
Das haste ja mal richtig nett ausgedrückt....
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Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von klaupe »

Wladimir30 hat geschrieben:Das haste ja mal richtig nett ausgedrückt....
Ein blindes Huhn findet auch mal einen Hahn ;)
Manchmal muss man im Leben zwischen gutem Ruf und dem Vergnügen wählen und stellt fest, das der gute Ruf kein Vergnügen ist.
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Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von Dietrich »

Wladimir30 hat geschrieben:Na, das ist wohl der Ball in meine Richtung. Obwohl ich zu dem Thema nichts mehr sagen wollte, dann also hier doch mein Kommentar.
Ich bin der Meinung, dass beide Güter (Meinungsfreiheit, Kulturfreiheit auf der einen und Rücksichtnahmen auf den Glauben auf der anderen Seite) wichtige Güter sind. Ich wehre mich nur gegen die Wortwahl, die von "Ultraorthodoxen" spricht, von "religiösen Fanatikern", "aufgehetzter nationalistischer, kranker Pöbel", "Und die Gläubigen haben sich gefälligst ebenfalls zu zügeln" usw. usf. Solche Ausdrücke sind in ihrer vollkommen undifferenzierten Absolutheit nicht dazu angetan, eine inhaltich fundierte Diskussion zu betreiben, sondern heizen eine Debatte emtional auf, wo meiner Meinung nach vorsichtiges Abwägen am Platze wäre. Ich bin auch russisch-orthodox und ich empfinde derartige Äußerungen von jemandem, der sich mit den Besonderheiten des russisch-orthodoxen Glaubens nicht auskennt und sich zudem in Deutschland aufhält, als verletzend. Russisch-orthodoxe Gläubige haben genauso Rechte, die nicht an der Kirchentür enden, und wenn sie diese vertreten wollen, haben sie auch erstmal ein Recht auf freie Meinungsäußerung dazu.
Ich glaube nicht, dass Berlino alle russisch-orthodoxen als "religiöse Fanatiker" und "Pöbel" bezeichnen wollte und habe das auch nicht so gelesen.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung spricht ihnen ja auch niemand ab. Aber wieso haben sie das Recht, zu bestimmen was andere sich in der Oper ansehen dürfen und was nicht?
Das es in der gezeigten Demontsration nicht nur um Religionsfreiht ging sieht man doch wohl deutlich an den Flaggen und Losungen. Hier wird die Religion von Leuten instrumentalisiert, mit denen du sehr wahrscheinlich eigentlich nichts zu tun haben möchtest.

Im Zusammenhang mit "Instrumentalisierung": Was hälst du als russisch-orthodoxer denn davon, dass sich im Moment eben teilweise tatsächlich "aufgehetzter nationalistischer, kranker Pöbel" der russisch-orthodoxen Religion bedient, in der Absicht, ihre Ziele zu legitimieren?
Was hälst du von Panzern mit orthodoxen Flaggen, von Priestern die pro-russische Kämpfer in der Ukraine segnen und diesen viel Erfolg gegen die (ebenfalls zum Teil russisch-orthodoxen) "ukrainischen Faschisten" wünschen?

Und selbst wenn dies Einzelfälle sind.... bist du mit der offiziellen Stellungnahme der ROC in Bezug auf den Krieg in der Ukraine oder auch die diversen anderen Nationalistischen Tendenzen einverstanden?
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Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von Berlino10 »

Wladimir30 hat geschrieben:Ich wehre mich nur gegen die Wortwahl, die von "Ultraorthodoxen" spricht, von "religiösen Fanatikern", ...
??
Wladimir30 hat geschrieben:Mo 30. Mär 2015, 12:48
Diese Demonstrationen der religiösen Fanatiker wurden vermutlich inszeniert, um einen Aufhänger zu haben.
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Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von Wladimir30 »

Dietrich hat geschrieben: Das Recht auf freie Meinungsäußerung spricht ihnen ja auch niemand ab. Aber wieso haben sie das Recht, zu bestimmen was andere sich in der Oper ansehen dürfen und was nicht?
Ich weiß es nicht, was die Leute im einzelnen bewegt hat. Ich weiß es schlicht und einfach nicht. Meinem Verständnis nach (und darum soll es hier wohl gehen?) geht es nicht darum ZU BESTIMMEN, wer was wo anschauen darf, es geht darum, den Unmut darüber zum Ausdruck zu bringen.
Das es in der gezeigten Demontsration nicht nur um Religionsfreiht ging sieht man doch wohl deutlich an den Flaggen und Losungen. Hier wird die Religion von Leuten instrumentalisiert, mit denen du sehr wahrscheinlich eigentlich nichts zu tun haben möchtest.
Richtig und so habe ich es ja auch geschrieben (dass ich gegen die Instrumentalisierung bin).
Was hälst du als russisch-orthodoxer denn davon, dass sich im Moment eben teilweise tatsächlich "aufgehetzter nationalistischer, kranker Pöbel" der russisch-orthodoxen Religion bedient, in der Absicht, ihre Ziele zu legitimieren?
Was hälst du von Panzern mit orthodoxen Flaggen, von Priestern die pro-russische Kämpfer in der Ukraine segnen und diesen viel Erfolg gegen die (ebenfalls zum Teil russisch-orthodoxen) "ukrainischen Faschisten" wünschen?
NICHTS
bist du mit der offiziellen Stellungnahme der ROC in Bezug auf den Krieg in der Ukraine oder auch die diversen anderen Nationalistischen Tendenzen einverstanden?
NEIN!!!

Ich trenne strikt zwischen dem Glauben und der offiziellen Kirche. Mir gefällt sehr sehr vieles nicht, was die offizielle Kirche macht. Auch dass Soldaten im Krieg (z.B. beim Bürgerkrieg in Tschetschenien) mit einem Haufen kirchlicher Orden behangen wurden ärgert mich fürchterlich. Es gibt leider zu viele Vertreter der offiziellen Kirche, die sich immer weiter von den Glaubensgrundsätzen des orthodoxen Glaubens entfernen. Das krisitiere ich in aller Form.

Mir ging und geht es nur darum, die Gefühle und Beweggründe DER GLÄUBIGEN zu respektieren und nicht mit Pauschalurteilen platt zu walzen.
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Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von Dietrich »

Wladimir30 hat geschrieben:Mir ging und geht es nur darum, die Gefühle und Beweggründe DER GLÄUBIGEN zu respektieren und nicht mit Pauschalurteilen platt zu walzen.
Danke für die Klarstellung und ein schönes Osterwochenende.... Achnee, du musst ja noch eine Woche warten und es ist ja auch erst Donnerstag ;-)
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