Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Wer von den seichten Gewässer des Rus-POP in die Tiefen der Wissenschaft vordringen möchte, findet hier sein Terrain. Literatur, Bildende Kunst, Musik, Kinematografie und alles was intellektuellen Background hat kann hier diskutiert werden.

Moderator: Saboteur

Benutzeravatar
Wladimir30
Globaler Moderator
Globaler Moderator
Beiträge: 6005
Registriert: 07 Okt 2014, 11:14
Wohnort: Celle / Wladimir

Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von Wladimir30 »

Dietrich hat geschrieben: Danke für die Klarstellung und ein schönes Osterwochenende.... Achnee, du musst ja noch eine Woche warten und es ist ja auch erst Donnerstag ;-)
Danke für Deine gezielten und konkreten Fragen. Vielleicht ist es jetzt etwas klarer geworden.

Schöne Ostern vorab Dir auch schon mal. Hier war es die letzten Tage und Wochen teilweise richtig schön, Sonne und so. Heute früh aus dem Fenster geschaut: alles bedeckt mit Schnee. Schneeregen. Brrrrr.

Aber wenn wir dann hier Ostern haben, dann, ja dann.... Also dann geht's ab.
Nach dem Kaffee ist vor dem Kaffee
Benutzeravatar
klaupe
Zar/iza
Zar/iza
Beiträge: 2069
Registriert: 17 Mär 2014, 11:55
Wohnort: Europa, Вселенная
Kontaktdaten:

Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von klaupe »

Wladimir30 hat geschrieben:Ich trenne strikt zwischen dem Glauben und der offiziellen Kirche. Mir gefällt sehr sehr vieles nicht, was die offizielle Kirche macht.
Man kann doch durchaus Christ, Jude, Mohammedaner, Hinduist .... sein, ohne zwangsläufig Mitglied eines Vereins.
Ich lebe mit meinen sicherlich christlich beeinflussten Lebensgrundsätzen sehr gut als ethische Orientierungshilfe, finde aber auch in der Thora oder im Koran wertvolle Denkansätze.
Schlimm ist eigentlich nur, was die "Vereine" daraus gemacht haben, meistens zum Nutzen der eigenen Hierarchie.
Schlimm sind immer wieder die Verknüpfungen der weltlichen und geistlichen Machtapparate, z.B. wenn der Staatschef den demütigen Christen heuchelt und sich mit den Kirchenfürsten zusammen in Pose schmeißt.

GLÄUBIGE haben entweder der politischen Führung zu glauben und wenn dazu der Verstand fehlt, dann wird der Pope, Pfarrer, Rabbi, Imam die Unwissenden und Zweifler schon auf den "richtigen Weg" des Glaubens führen.

Mensch, da waren ja die roten Parteibonzen ehrlicher!
Manchmal muss man im Leben zwischen gutem Ruf und dem Vergnügen wählen und stellt fest, das der gute Ruf kein Vergnügen ist.
Nikolaus
Zar/iza
Zar/iza
Beiträge: 2499
Registriert: 19 Nov 2008, 14:25

Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von Nikolaus »

Berlino10 hat geschrieben:
Nikolaus hat geschrieben: Was meinst Du eigentlich zu der Absetzung der Duesseldorfer Tannhaeuser-Inszenierung? ;)
Ein Skandal, wie die meisten Medien damals kommentierten. Allerdings ging es da um die Drastigkeit von Gewaltdarstellungen, die dazu geführt hatte, dass sich 10 Besucher nach der Premiere ärztlich behandeln lassen mussten. Die Opernleitung hatte selbst gekniffen, das so fortführen zu wollen ..
Hm, ich war auch damals nicht dabei ... :)
Aber ich erinnere mich noch gut, dass die juedische Gemeinde gegen die Inszenierung protestiert hat; einfach so um bissel unnoetige Gewalt ging es nicht ... Selbst im fernen Israel ging man doch wohl "auf die Barrikaden".
Nach der Absetzung des Stuecks war dann Ruhe, die Beziehungen zu unserem israelischen Partner gerettet, alles in Butter. Und welches "unersetzliches" Kulturgut haben wir verloren; irgendwie war nach kurzer Zeit nichts mehr dazu zu hoeren. Nicht alles, was Skandale erzeugt, ist eben auch kuenstlerisch beachtenswert. Die meisten hier kannten diesen Fall ja nicht einmal. :)
Und das gleiche kommt hoffentlich auch in Novosibirsk - das missliebige Stueck ist abgesetzt und wird vielleicht anderenorts aufgefuehrt, wo weniger Gefuehle verletzt werden, damit koennten eigentlich des Friedens willen auch die ganzen Anzeigen, Untersuchungen, Beschwerden, Proteste, ... enden. Eigentlich ist es doch so ein Schmarren: Niemand konnte hier im Forum auch nur annaehernd erklaeren, was der Regisseur denn in den Szenen, die Anstoss erregten, so unverzichtbar Wichtiges ausdruecken musste, dass er sogar in Kauf nahm, dass viele Glaeubige sich verletzt fuehlen, selbst wenn das auf deren Unverstaendnis beruhen sollte. So etwas sollte man schon beruecksichtigen und Kompromisse suchen.
Instrumentalisiert? Moeglicherweise, passiert ja ueberall und staendig in der ganzen Welt, aber hier im Forum sind das reinste, voellig unbelegte Unterstellungen. Nicht eine einzige nationalistische Parole wurde offenbar bisher auf den Fotos gefunden. Nicht einmal Norbert vor Ort hat davon berichtet, trotz seiner guten Kontakte zur lokalen Internet-Presse.
Oder einfach etwas komplizierter Zug im bevorstenden Wahlkampf!? ;)
Berlino10
Zar/iza
Zar/iza
Beiträge: 2942
Registriert: 16 Feb 2013, 01:23
Wohnort: Berlin / Wolgograd

Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von Berlino10 »

Nikolaus hat geschrieben:
Und das gleiche kommt hoffentlich auch in Novosibirsk - das missliebige Stueck ist abgesetzt und wird vielleicht anderenorts aufgefuehrt, wo weniger Gefuehle verletzt werden, ...
Das einzelne Stück ist sicher nicht entscheidend. Aber solche Einzelfälle haben abschreckende Wirkung: der abgesetzte Perm-Kurator für kritische Kunst, der abgesetzte Opern-Direktor für Kunst, die Religiöses thematisiert. Das bedeutet künftige Selbstzensur, will man seine Existenz nicht aufs Spiel setzen.

Wozu symbolische Exempel führen können, beschreibt dieser NDR-Bericht über das drohende Ende investigativen Journalismus und Pressfreiheit in den USA durch Verfolgung, Überwachung und Existenzvernichtung einzelner, weniger Whistleblower, Informanten, kritischer Geheimdienstler.
Nikolaus
Zar/iza
Zar/iza
Beiträge: 2499
Registriert: 19 Nov 2008, 14:25

Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von Nikolaus »

Berlino10 hat geschrieben: Das bedeutet künftige Selbstzensur, will man seine Existenz nicht aufs Spiel setzen.
Ja, so eine Gefahr besteht, aber fuer mich zaehlt Frieden und Stabilitaet in der Gesellschaft mehr.
Und im konkreten Fall wurde, wie ich schon schrieb, der, nachdem er sich mit seinem neuen Direktor wohl nicht einmal treffen wollte, geschasste Regisseur sogar u.a. ans Bolschoi nach Moskau eingeladen. Na, das waere doch ein gewaltiger Sprung nach oben. Existenzangst sollte das nicht erzeugen!?
domizil
Zar/iza
Zar/iza
Beiträge: 1921
Registriert: 03 Apr 2011, 04:32
Wohnort: Russische Föderation

Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von domizil »

Haussuchungen in Firmenräumen des neuen Operndirektors in Nowosibirsk

In den Firmenräumen der Firmen, deren Eigentümer der neue Direktor der Oper in Nowosibirsk ist, haben umfangreiche Haussuchungen stattgefunden.
Haussuchungen werden gegenwärtig in neun Städten gleichzeitig durchgeführt: Nowosibirsk, Jekaterinburg, Kasan, Samara, Woronesch, Rostow, Nischny Nowgorod, St. Petersburg und Moskau.

Das russische Innenministerium hat die Durchführung der Haussuchungen bestätigt und erklärt, dass diese Untersuchungen im Zusammenhang mit einem Strafverfahren wegen Betrugs gegen die Firmenleitung stehen. In welchen Firmen konkret die Durchsuchungen stattfinden wurde nicht mitgeteilt.
Ende März wurde Kechman zum neuen Leiter des Operntheaters in Nowosibirsk ernannt. Er ersetzte den im Rahmen des sogenannten Tannhäuser-Skandals durch den russischen Kulturminister abgesetzten Boris Mesdrischa. Neben der Oper in Nowosibirsk setzt der neue Direktor auch seine Leitungstätigkeit im Michailowski-Theater in St. Petersburg fort.

Im September wurde Kechman in seiner Eigenschaft als ehemaliger Generaldirektor von JFC und Ex-Vorsitzender des Direktoriums der Gruppe Julia Sacharowa zum Beschuldigten in einem Strafverfahren wegen Betrugs. Das Strafverfahren wurde bereits im Jahre 2012 auf Antrag der Sberbank eingeleitet. Die Firmenleitung und die Firmeninhaber werden beschuldigt, in den Jahren 2010 – 2012 Kredite von mehr als 10 Mrd. Rubel erhalten und nicht zurück bezahlt zu haben. Zu den Kreditgebern gehört die Sberbank, Raiffeisenbank, Bank Moskau. Die Firma JFC hat sich mit dem Import von Früchten beschäftigt und im Jahre 2012 Bankrott angemeldet.

Uwe Niemeier
Benutzeravatar
klaupe
Zar/iza
Zar/iza
Beiträge: 2069
Registriert: 17 Mär 2014, 11:55
Wohnort: Europa, Вселенная
Kontaktdaten:

Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von klaupe »

Nikolaus hat geschrieben:... geschasste Regisseur sogar u.a. ans Bolschoi nach Moskau eingeladen. Na, das waere doch ein gewaltiger Sprung nach oben. Existenzangst sollte das nicht erzeugen!?
Nach dem internationalen Spektakel sind auch sicherlich andere Häuser interessiert, das Experiment zu wagen.
domizil hat geschrieben:Die Firmenleitung und die Firmeninhaber werden beschuldigt, in den Jahren 2010 – 2012 Kredite von mehr als 10 Mrd. Rubel erhalten und nicht zurück bezahlt zu haben.
Da frage ich mich, ob das auch unter Kunst fällt oder eher unter "russischer Alltag".
Manchmal muss man im Leben zwischen gutem Ruf und dem Vergnügen wählen und stellt fest, das der gute Ruf kein Vergnügen ist.
domizil
Zar/iza
Zar/iza
Beiträge: 1921
Registriert: 03 Apr 2011, 04:32
Wohnort: Russische Föderation

Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von domizil »

klaupe hat geschrieben:Da frage ich mich, ob das auch unter Kunst fällt oder eher unter "russischer Alltag".
... natürlich fällt das unter "Kunst", denn es ist schon eine Kunst den Banken erfolgreich vorzugaukeln, dass man ein solides Unternehmen ist, dem man getrost 10 Milliarden Rubel anvertrauen kann. Dem kleinen Anton Antonowitsch, der mal nur kurz 1.000 Rubel bis zum Monatsende braucht, gelingt dies nicht.
Die Kunst setzt sich damit fort, diese 10 Mrd. dann erfolgreich verschwinden zu lassen und die Kunst endet damit, mit Hilfe guter Anwälte möglichst ungeschoren davonzukommen.
Allerdings gehört es zur absolut hohen Kunst, mit so einem "Rucksack" auch noch Theaterdirektor eines zweiten Theaters zu werden - mit dem Wohlwollen föderaler Strukturen.

Uwe Niemeier
domizil
Zar/iza
Zar/iza
Beiträge: 1921
Registriert: 03 Apr 2011, 04:32
Wohnort: Russische Föderation

Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von domizil »

Neuer Direktor der Oper in Nowosibirsk verlässt das Theater in St. Petersburg

Wladimir Kechman verlässt den Posten des Direktors des Michailowski-Theaters in St. Petersburg. Darüber informierte der föderale Kulturminister Medinski in einem Exclusiv-Interview mit dem TV-Sender 100 TV.

„Wir haben eine Vereinbarung darüber, dass Wladimir Abramowitsch künstlerischer Leiter des Michailowski Theaters bleibt. Aber die Finanz- und Verwaltungsfunktion wird an jemand anderen übergeben. Aber diese Frage wird nicht an einem Tag entschieden. Wir müssen einen Kandidaten finden, welcher der Leitung in St. Petersburg zusagt“, - so der Minister.

Bis vor wenigen Stunden war man noch davon ausgegangen, dass Kechman seinen Posten als Direktor des Michailowski-Theaters beibehält, ungeachtet dessen, dass er die gleiche Funktion mit Wirkung vom 29. März in Nowosibirsk übernommen hatte.

Der Grund für die Ablösung des Direktors in Nowosibirsk war eine Skandalaufführung des Stückes „Tannhäuser“, welches zu Protesten unter Mitarbeitern des Theaters, der Bevölkerung und der Russisch-Orthodoxen Kirche geführt hatte.

Uwe Niemeier
Benutzeravatar
klaupe
Zar/iza
Zar/iza
Beiträge: 2069
Registriert: 17 Mär 2014, 11:55
Wohnort: Europa, Вселенная
Kontaktdaten:

Re: Skandal am Opernhaus in Novosibirsk

Beitrag von klaupe »

domizil hat geschrieben:... natürlich fällt das unter "Kunst", denn es ist schon eine Kunst den Banken erfolgreich vorzugaukeln, dass ...
Genau so hatte ich es auch im Hinterkopf und scheinbar ist die Kunstszene ziemlich ausgeprägt.

Da frage ich mich manchmal, welche Reaktionen ein Fall Wulff in Russland auslöst, der wegen eines vom Freund bezahlten Hotelaufenthaltes sein Amt als Bundespräsident verlor. Das wäre doch in Russland die totale Lachnummer.
Manchmal muss man im Leben zwischen gutem Ruf und dem Vergnügen wählen und stellt fest, das der gute Ruf kein Vergnügen ist.
Antworten

Zurück zu „#Wissenschaft | #Kunst | #Kultur“