Vorstellung eines "Seelischen Russen"

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kvsriu
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Vorstellung eines "Seelischen Russen"

Beitrag von kvsriu »

Guten morgen! Ich möchte mich kurz vorstellen: Mein Name ist Steffen, ich habe in Kiew in der Sojus studiert, habe dann fast 10 Jahre in Moskau gearbeitet und will wieder zurück nach Russland. Mit Russland ist es meines Erachtens so: Entweder du liebst es, und dann lässt es dich nicht mehr los, oder du hasst es. Dazwischen gibt es nichts.

Ich war gerade wieder für einen Monat in Russland und musste leider zurück, weil das Visum zu Ende war.
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Tonicek
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Vorstellung eines "Seelischen Russen"

Beitrag von Tonicek »

kvsriu hat geschrieben: 17 Jul 2018, 09:00 ... Mit Russland ist es meines Erachtens so: Entweder du liebst es, und dann lässt es dich nicht mehr los, oder du hasst es.
Ja, Steffen, das Gefühl kenne ich - bei mir ist es aber eine sogenannte "Haßliebe" - bin ständig auf der Suche nach der so viel beschworenen "russischen Seele", ich glaube, Journalist Lojewski hat die mal so beschrieben.

Aber manchmal, wenn gar nichts mehr geht - wenn die Bürokratie ihre häßlichste Fratze zeigt, wenn ich mit der Mentalität einfach wieder mal nicht klar komme - wenn die Wand, gegen die mein Kopf prallt, härter und standfester als jeder menschliche Schädel ist - dann, ja dann schlägt meine Liebe in einen sprichwörtlichen Haß um.
Gebau das wäre fast passiert, als ich an der Grenze GEO-georg. Heerstr / RUS / Verchny Lars stand u. einfach nicht klar kam.
Von Schalter zu Schalter geschickt worden - u. trotzdem immer zur falschen Zeit am falschen Ort angekommen . . .

Was machen dort Leute, die kein Wort russisch verstehen, geschweige denn, die Buchstaben nicht lesen können?
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Re: Vorstellung eines "Seelischen Russen"

Beitrag von m5bere2 »

Tonicek hat geschrieben: 17 Jul 2018, 15:44 Was machen dort Leute, die kein Wort russisch verstehen, geschweige denn, die Buchstaben nicht lesen können?
Ganz einfach: die können auch nicht von Schalter zu Schalter geschickt werden und kriegen von der bösen Bürokratie nichts mit. Der hätte halt verdutzt und hilflos dagestanden, dann hätte sich schon jemand um ihn gekümmert.

Härter als mein Schädel war die Bürokratie übrigens nicht. Sie wird auch eigentlich immer besser organisiert, immer professioneller, immer freundlicher. Von meiner Ankunft in Nowosibirsk bis zum Erhalt der russischen Staatsangehörigkeit veringen genau 3 Jahre und ein Tag, ohne nennenswerte Probleme. Schwer war nur das erste Jahr, danach machte mir die deutsche Bürokratie mehr Probleme als die russische.
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Re: Vorstellung eines "Seelischen Russen"

Beitrag von Wladimir30 »

Einerseits bin ich mir nicht sicher, ob jemand, der weder Russisch auch nur ansatzweise beherrscht noch das kyrillische Alphabet nicht lesen kann, sich an diese Orte verirrt. Andererseits gebe ich m5bere2 Recht: Es ist hängt sehr stark davon ab, wie man sich verhält. In der Regel wird einem geholfen, wenn man sich einfach natürlich-nett verhält. Wenn man nun wirklich nichts machen kann und rein hilflos ist in einer gegebenen Situation (sprachlich z.B.), dann geht es schon irgendwie, weil einem in der Regel dann einfach geholfen wird.
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Beitrag von Tonicek »

Wladimir30 hat geschrieben: 17 Jul 2018, 16:58 1. Einerseits bin ich mir nicht sicher, ob jemand, der weder Russisch auch nur ansatzweise beherrscht noch das kyrillische Alphabet nicht lesen kann, sich an diese Orte verirrt.
2. Es ist hängt sehr stark davon ab, wie man sich verhält. In der Regel wird einem geholfen, wenn man sich einfach natürlich-nett verhält.
Zu 1.: Völlig klar, das sind keine Gegenden, wo man sich mal so hin verirrt - mir ist aber keine Gegend zu weit, zu unbequem, zu schwer zu bewältigen - und ganz wichtig, nicht vergessen: "I must kill my time!"

zu 2.: Kann ich nicht akzeptieren - es war ein Gewusel von gefühlten 200 Pers unter dem Grenzdach, 10 versch. Schaltern, 5 versch. Ausgabestellen der verschiedensten Formulare - Hälfte der Schalter offen, aber keiner drin, da Frühstückszeit ... und ... und ...

Da interessiert es wirklich keinen, wer da nun nett oder "sich einfach natürlich-nett verhält." - Da war nämlich gar keiner, der das hätte beobachten + einschätzen können. Das interessierte einfach keinen Menschen - man war halt schlicht nicht existent. Fragte man jemanden . . . keine Antwort oder ein unverständliches Brummeln.
Selbst geöffnete Schalter hatten kein Klarglas - man schaute in ein dunkles Loch und ahnte irgendwo einen Menschen - Nettiquette hätte nur sehr wenig geholfen.-

Auf GEO-Seite ist ein Kloster, 200 m von der Grenze; hatte dort geschlafen, war also topfit + ebenso entspannt, wie ich jedes Mal die Grenze Bagrationowsk. Richtg. Kaliningrad passiert habe, dieses Chaos wie dort, 25 km südl. Vladikavkas, hab' ich noch nicht erlebt. Sicher, es ist dort die etwas andersgeartete asiatische Mentalität, aber in einem solchen Maße u. mit einem solch enormen Zeitaufwand, naja, ich hatte ja wirklich Zeit, und diese wollte ich ja auch "killen".

Selbst Russen wurden von den Schaltern weggeschickt, weil die Formulare "nicht richtig" ausgefüllt waren. Und die Formulare waren einzig in russischer Sprache.

Vielleicht hat die Stimmung auch etwas damit zu tun, daß die Georgier ein Visum brauchen, die Russen aber nicht, könnte ja nicht gerade ein guter Stimmungsfaktor sein.

Naja, ich hab's geschafft, trotz alledem . . .
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Re: Vorstellung eines "Seelischen Russen"

Beitrag von m5bere2 »

Tonicek hat geschrieben: 17 Jul 2018, 17:38 Da interessiert es wirklich keinen, wer da nun nett oder "sich einfach natürlich-nett verhält." - Da war nämlich gar keiner, der das hätte beobachten + einschätzen können.
Na Moment ... irgendjemand hat dich ja offenbar von Schalter zu Schalter geschickt. Also waren da auch offenbar Leute, die die Wartenden sehen und mit ihnen reden. Wenn da jetzt ein völliger Analphabet steht, was russisch betrifft, der überhaupt nicht reagiert auf "Geh mal zum Schalter nebenan!" und auch auf sonst nix, dann wird dem schon irgendwie geholfen.
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Re: Vorstellung eines "Seelischen Russen"

Beitrag von bella_b33 »

Tonicek hat geschrieben: 17 Jul 2018, 15:44 Aber manchmal, wenn gar nichts mehr geht - wenn die Bürokratie ihre häßlichste Fratze zeigt
Wie man in den Wald hineinschreit, so schallt es heraus.....wir haben in den 12 Jahren Russland, die ich mittlerweile auf dem Buckel hab, immer am Ende einen Ausweg gefunden.
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Vorstellung eines "Seelischen Russen"

Beitrag von Tonicek »

bella_b33 hat geschrieben: 17 Jul 2018, 20:09 1. Wie man in den Wald hineinschreit, so schallt es heraus.
2.....wir haben in den 12 Jahren Russland, die ich mittlerweile auf dem Buckel hab, immer am Ende einen Ausweg gefunden.


Wieder mal so eine typische Ansage von Jemandem, der überhaupt keinen Einblick in die vorhanden gewesene Situation hat, noch dazu, mit völlig unpassenden, der Situation nicht im Geringsten entsprechenden "Sprichworten" . . .
Und dann natürlich immer wieder das Angegebe mit den auf dem "Buckel habenden Jahren - ein typisches "Platzhirschgetue".

Zu 1: Es war überhaupt keiner da, wo man etwas "hineinschreien" konnte, wie Du so schön schreibst.- Ein absolutes Gewusel von Reisenden, dazwischen paar Uniformierte, die gar keine Antworten gaben oder nicht geben wollten.

Ich fragte andere "Touristen", die auch durch die Gegend liefen, die zuckten mit den Schultern, gingen in eine Halle, ich hinterher, in einer Ecke standen Tische, auf denen Unmengen Papiere lagen - es waren die DIN A4- Zollerklärungen, natürlich nur auf russisch - daß auch mal Touris kommen könnten, die des Russischen nicht mächtig sind, scheint bis nach Nord-Ossetien noch nicht vorgedrungen zu sein.
Auf dem Fußboden lagen ebenfalls Unmengen Papiere, jeder, der sich verschrieben hatte, knüllte das Blatt zusammen u. warf es fort.

Schleierhaft erschien mir sowieso, wieso ich bei all den vorhergehenden Grenzübertritten [LV -> RUS + PL -> RUS] überhaupt keine Zollerklärung habe ausfüllen müssen . . .??

Naja, irgendwie ist mir das dann gelungen, auch die Geldbeträge habe ich eingetragen - wurde bezeichnenderweise überhaupt nicht kontrolliert - interessierte keinen Menschen, na ja, irgendwie erwischte ich dann auch das richtige Fenster, von dem gerade eine 3-köpfige Familie schimpfend weggeschickt wurde - war auch gut für mich, war gleich dran.-

Dann wurde der Führerschein kopiert, um Fragen vorzubeugen, gab ich meinen alten rosanen DE-Führersch., bei der CZ-Plastikkarte hätte man evtll gefragt, wieso ich als DE-Bürger einen CZ-FS habe?

Na ja, ich hab's bewältigt, eine Tortur war's trotzem, lange so etwas nicht erlebt.

Meine Schlußfolgerung war später, daß eben die Mentalitäten der asiat. Russen eine andere ist als die der Europäischen im Kalingrader obl. und die im Baltikum.

Zu einem Russen, der hinter mir stand u. etwas zu mir sagte, sagte Ich: Ja, stimmt, nach Afrika als Touri zu reisen, ist einfacher als nach Rußland . . .

P.S.: Alles, was ich hierzu schrieb, bezieht sich auf die Aktionen NACH der Paßkontrolle u. Erhalt des roten Einreisestempels.
Was mich am Fenster der Paßkontrolle stutzig machte, war, daß die sehr schöne Blondine hinter dem Fenster nach Betrachten meines Passes zum Telefon griff und ein längeres Gespräch - dabei immer auf die Plastikseite meines Passes schaute - führte.
Hab' natürlich nicht verstehen können, um was es ging - vielleicht machte sie mein Reiseziel: SEVERNY KAVKAS stutzig?
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Beitrag von Tonicek »

m5bere2 hat geschrieben: 17 Jul 2018, 18:39Na Moment ... irgendjemand hat dich ja offenbar von Schalter zu Schalter geschickt. Also waren da auch offenbar Leute, die die Wartenden sehen und mit ihnen reden. Wenn da jetzt ein völliger Analphabet steht, was russisch betrifft, der überhaupt nicht reagiert auf "Geh mal zum Schalter nebenan!" und auch auf sonst nix, dann wird dem schon irgendwie geholfen.
Nö, leider FALSCH, was Du da in den Raum stellst! - Da waren eben offenbar KEINE Leute, "die die Wartenden sehen + mit Ihnen reden", wie Du so schön schriebst. Habe mich alleine durchgekämpft - andere Reisende gefragt, waren auch nur paar Georgier, die ein Visum für RUS brauchen, viele Russen u. paar Armenier da, bin von Fenster zu Fenster [= schwarze kleine Guck-Löcher] marschiert, hinter einigen Gucklöchern war kein Mensch, dann fragte ich paar andere Touris, die mit den Schultern zuckten, irgendwann fand ich dann die Halle mit dem Papierwust auf dem Tisch und noch mehr zerknüllten Papierwust auf dem Fußboden . . .

Es galt die Regel:
"Bist Du Gottes Sohn - so hilf Dir selber!" Daß nun ausgerechnet ich als bekennender Atheist nun mal nicht "Gottes Sohn" bin, hat man mir wahrscheinlich angesehen . . .

Für mich galten 2 Leitsätze:

1. Alles, was mich nicht umbringt, macht mich noch härter.
2. I kill my time . . ., auch wenn es an einem Grenzübergang ist . . .

Aber, fairerweise, füge ich das man an, ist ja völlig klar, daß Leute, die dort ihre Wahlheimat gefunden haben - daß diese nun alles, aber auch wirklich alles, auch alles Negative verteidigen wollen, müssen, können, dürfen, sollen usw. etc.pp. - Kann das ja verstehen . . .
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Re: Vorstellung eines "Seelischen Russen"

Beitrag von bella_b33 »

Entweder...oder..., ach ist auch egal

Schön, stark und mutig isser jedenfalls.
Zuletzt geändert von bella_b33 am 18 Jul 2018, 16:01, insgesamt 1-mal geändert.
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