Abstimmung 1. Juli

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Berlino10
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Re: Abstimmung 1. Juli

Beitrag von Berlino10 »

Wladimir30 hat geschrieben: 28 Jun 2020, 10:41 Andererseits aber sitzen unbewusste Stereotypen, Verhaltensmuster u.ä. sehr tief. Sie kommen dann klar zum Vorschein, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, wenn Extremsituationen eintreten. Die Ereignisse 1991 und 1993 waren solche Situationen. Da werden neu erlernte Verhaltensmuster über Bord geworfen, und das Volk handelt auf die ihm eigene Weise, wobei neu entstandene gesellschaftliche Strukturen zeitweilig ihre Bedeutung verlieren. Die Ereignisse dieser beiden Jahre haben einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Weil sich hier in überdeutlicher Weise das bestätigt hatte, was ich mir theoretisch angeeignet, aber in vielem für nicht richtig erachtet hatte.
Guter Punkt! Man kann wohl tatsächlich nicht Schablonen überall aufpressen und die Menschen zu etwas zwingen, was sie (noch) nicht verinnerlicht haben, (noch) nicht mit Leben füllen können.
Ich bin ja nun auch kein blinder Apologet westlicher Wohlstandslehren. Zum einen zeigt der Westen ja selbst zunehmend asoziale Degeneration, und den letzten Neu-Vasallen UKR, BG, RO u.a. geht es eher schlechter als besser, zum anderen sehe ich auch die Notwendigkeit einer umfassenden Entwicklung im Gegensatz zu einer Schocktherapie.
Auf der anderen Seite wünsche ich mir schon, dass RUS den Weg zu einer sozialeren, aktiveren Evolution nimmt, und dafür sehe ich das Referendum am 1. Juli als äusserst kontraproduktiv. Es wird mMn zwar vielleicht weiter stabilisierend wirken, aber eben auch das Verkrustete, Lähmende manifestieren.
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Wladimir30
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Re: Abstimmung 1. Juli

Beitrag von Wladimir30 »

Berlino10 hat geschrieben: 29 Jun 2020, 12:51 Auf der anderen Seite wünsche ich mir schon, dass RUS den Weg zu einer sozialeren, aktiveren Evolution nimmt, und dafür sehe ich das Referendum am 1. Juli als äusserst kontraproduktiv.
Aktive Evolution. Das wünsche ich mir auch. Zu Sowjetzeiten gab es da den sehr treffenden Ausdruck, den ich lange nicht verstanden hatte, der aber meines Erachtens nach genau den richtigen Weg zeigt: Перегнать, не догоняя. So ungefähr "Den Westen überholen, ohne zuvor versucht zu haben, ihn einzuholen." Einfach seinen eigenen Weg finden, eigene Lösungen etc. Das ist der Weg, den Russland verstärkt gehen sollte. Aus eigener Kraft, ohne vom Gas- und Ölhahn abhängig zu sein.

Die neue Redaktion der Verfassung soll dies ja z.T. erreichen. Loslösen von Verpflichtungen, die vom Westen diktiert worden waren. Hier sehe ich einen richtigen Schritt zu echter Souveränität (die Deutschland ja immer noch nicht erreicht hat, aber das nur am Rande). Wenn nur diese Sache mit der Amtszeit nicht wäre....
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kamensky
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Re: Abstimmung 1. Juli

Beitrag von kamensky »

Gibt doch ein kleiner Einblick ueber das Verfahren der Abstimmung: Auch wen es im Ausland vorgefallen ist entschuldigt dies die Problematik nicht. https://www.e1.ru/news/spool/news_id-69340234.html
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Norbert
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Re: Abstimmung 1. Juli

Beitrag von Norbert »

Ich wundere mich auch, dass man das Wählen im Ausland nicht anmelden muss. Wenn ich in Russland in einem fremden Wahlbüro wählen will, muss ich dies vorher in meinem Wahlbüro oder auf gosuslugi anmelden. Wenn ich morgen nach Leipzig fahre, muss ich nur den Pass mitnehmen. Dabei würde ich es problemlos schaffen, an einem Tag München, Frankfurt, Leipzig und Berlin anzufahren. Und überall nur meinen Pass zu zeigen.
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Re: Abstimmung 1. Juli

Beitrag von kamensky »

Was suggeriert der russische Staat seinem Volke fuer ein Resultat: http://www.finmarket.ru/news/5268283 Volksverarschung!

Nach meiner Berechnung, waren es nicht die publizierten 77.92%, sondern......

.....die Wahlzettel sind zu 100% ausgezaehlt: Stimmbeteiligung lag bei 65%. Dem Volk wird folgendes Resultat suggeriert: 77.92% stimmten fuer die Verfassungsaenderung und 21.27% dagegen. Das ist natuerlich ein weiterer Betrug, denn mathematisch und unter Beachtung der Rundungsregel sollten 50.5% dafuer sein. Nimmt man die 65% der Beteiligung und multipliziert man diese mit den Ja-Stimmen 0.7792 ergibt dies das Endresultat von 50.648% der Befuerworter. Also, aeusserst knapper Sieg.
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Norbert
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Re: Abstimmung 1. Juli

Beitrag von Norbert »

In der Wahlurne in Leipzig - die sind ja transparent - war auf allen sichtbaren Wahlzetteln ДА angekreuzt. Traurig, ist aber so.

Das Wahlbüro war im Hof des Konsulats, schönes Wetter, keine Warteschlange, wir waren ganz fix durch.
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Re: Abstimmung 1. Juli

Beitrag von m5bere2 »

kamensky hat geschrieben: 02 Jul 2020, 12:27 ergibt dies das Endresultat von 50.648% der Befuerworter. Also, aeusserst knapper Sieg.
Ist mir auch aufgefallen, dass Wahlbeteiligung * Befürworter genau für eine knappe absolute Mehrheit reicht. ;) Damit hinterher keiner sagen kann: aber hätten alle Gegner gewählt, dann wäre die Verfassung abgelehnt worden!

Ich kann von meinem Wahllokal auch bestätigen: in der Urne waren fast alle Wahlzettel dafür. Aber Nowosibirsk hat wohl eine Wahlbeteiligung von gerade mal 40% gehabt (in der Oblast bis 80%).
Axel

Re: Abstimmung 1. Juli

Beitrag von Axel »

So gewünscht, so geliefert :D !
Frage mich, wozu Putin noch ein Parlament braucht, das er sowieso jetzt nach Belieben auflösen kann ?
Diese Wahl war ein einziger Betrug am Wählervolk und wie schon vorher erwähnt, war das Endergebnis am Ende so klar wie Apollinaris.
Russland darf man meiner Meinung nach nun zurecht als absolute Monarchie bezeichnen. Putin wird 2036 länger als Stalin regiert haben und fast so lange wie Ivan der Schreckliche an der Macht gewesen sein, und das im 21.Jahrhundert.
Damit wird Putins marode Innenpolitik weiter bis 2036 fortgeführt und Russland in den Ruin getrieben.
Putin erinnert mich immer mehr an Nikolaus II, der hatte sich auch so lange an die Macht gekrallt und ähnlich wenig Lust auf Reformen, wie der endete, weiß man, auch wenn ich in diesem Bezug nicht wirklich eine Analogie zu Putin sehe, da Putin immer noch auf seinen schwindenden Halt an Ü-40 Idioten hoffen kann, die sich vor Gayropa und Pindostan fürchten. Die jungen Menschen werden hingegen vorwiegend auswandern.
Edit: Gerade gelesen, Putin kann sogar jetzt einfach Richter selbst ernennen und entlassen ! Dabei gilt das oberste Gebot, dass das judikative Organ unabhängig bleiben muss. Das haut somit endgültig den letzten Nagel in den Sarg ...
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Re: Abstimmung 1. Juli

Beitrag von Wladimir30 »

Norbert hat geschrieben: 02 Jul 2020, 12:34 Traurig, ist aber so.
Na, da brauchen wir aber Nachhilfe im Demokratieverständnis. Es ist nunmal die Entscheidung der Leute,, dass sie mit Ja gestimmt haben. Nur, weil es eine andere Meinung ist, ist es deshalb nicht traurig.

Meine Tochter wollte in Hamburg wählen. ging nicht. Sie hätte sich vorher dort registrieren lassen müssen. Sie könne das aber jetzt noch schnell über Gosuslugi machen. Was aber nicht ging, da diese Seite gesperrt war....

Sprich sie hat nicht abgestimmt.
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Re: Abstimmung 1. Juli

Beitrag von Wladimir30 »

m5bere2 hat geschrieben: 02 Jul 2020, 12:41hätten alle Gegner gewählt, dann wäre die Verfassung abgelehnt worden!
Ich bin mir sicher, dass nicht nur Gegner der Verfassungsänderung nicht gewählt haben, sondern auch Leute, die dafür sind/waren, aber sich gesagt haben, dass es sowieso angenommen wird und deshalb keine Notwendigkeit sahen, hin zu gehen. Es ist doch in der Regel so, dass eher die Gener mobilisiert werden als Befürworter.
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