Besonnene Analyse der Situation in der Ukraine

Das Politische Forum ist nur für "Debattanten" und Gäste sichtbar. Wer mitdiskutieren möchte, der muß sich der Gruppe der Debattanten anschließen. Eine Mitgliedschaft muß beantragt werden.
Benutzeravatar
Norbert
Globaler Moderator
Globaler Moderator
Beiträge: 13751
Registriert: 30 Jun 2006, 11:25
Wohnort: Nowosibirsk, Dresden
Kontaktdaten:

Besonnene Analyse der Situation in der Ukraine

Beitrag von Norbert »

Ich würde gern hier im Forum eine besonnenen Meinungsaustausch dazu führen, was hinter der "Spezialoperation" in der Ukraine steckt. Ohne Schaum vor dem Mund, ohne Hitler-Vergleiche, ohne pauschale Vorwürfe. Sondern wirklich sachlich hinterfragend. Bei groben Verstößen gegen diese Idee, werde ich radikal in die Kaffeebar auslagern.

Ich frage mich immer wieder, wieso es zu dieser Situation kam und was die Beweggründe sein könnten. Aktuell scheint ja vordergründig keine Seite irgendetwas gewonnen zu haben.

Nachfolgend meine Deutungsversuche. Wenn Ihr weitere habt, gern ergänzen. Gern auch Eure Gedanken zu meinen Varianten - aber wie schon gesagt, ohne irgendwelche Polemik. Ich würde mich über eine sachliche Abwägung von Gedanken freuen.


Variante Fehleinschätzung

Immer wieder liest man davon, dass die russische Führung wirklich daran geglaubt haben könnte, sie werden zumindest im russischsprachigen Teil der Ukraine mit Freude willkommen geheißen. Ein schneller Umsturz - quasi die Umkehr der 2014er Revolution - könnte gelingen. Die nachfolgenden Probleme im Rest des Landes könne man lösen, ähnlich wie es Kiew in Kharkiv oder Minsk in ganz Weißrussland gelang.

Dafür spricht, dass am ersten Abend bereits russische Hubschrauber über Kiew kreisten und dieses Ziel nahe schien. Ebenso der angeblich aus Versehen veröffentlichten Kommentar bei Ria Nowosti.

Die Sanktionen hätte man überstanden, so lange die Zahl der zivilen Opfer überschaubar geblieben wäre.

Es ist nicht unplausibel, dass sich um einen sehr lange regierenden Führer wie Putin zu viele Ja-Sager gesammelt haben und niemand den Mut hatte, davon abzuraten. Andererseits ist eine so grobe Fehleinschätzung auch wieder unlogisch.


Variante Eingriff so lange noch möglich

Russland vertritt die These, dass von außen mit Propaganda und Geld ein immer größerer Keil zwischen Brudervölker Ukraine und Russland getrieben würde. Wenn man es nüchtern betrachtet, ist dies sicher so - wobei man natürlich darüber streiten kann, wessen Schuld es ist. Aber das will ich hier nicht diskutieren.

Zweifelsohne kann Russland argumentieren - dass ein härteres Durchgreifen während der Revolution 2014 den heutigen Krieg verhindert hätte. Folgt man dieser Logik, so dreht sich die Spirale immer weiter und Russland könnte den gestarteten Konflikt als letzte Chance gesehen haben, noch zu reagieren. Bevor die Ukraine weiter aufrüstet, noch stärker wird, und ein Eingriff endgültig unmöglich wird. Dass es aktuell scheitert, wäre dann ein Zeichen dafür, dass es schon zu spät war.

Ziel wäre in dieser Variante gewesen, zu verhindern, dass "der Westen" irgendwann die Möglichkeiten hat, aktiv militärisch einen Regierungswechsel in Moskau zu unterstützen, wie in Bagdad, Kabul, Tripolis oder (gescheitert) in Damaskus.


Variante Ablenkungsmanöver Nordukraine mit Ziel Südukraine

Nicht auszuschließen, dass der Vormarsch Richtung Kiew nur ein Druckmittel war, um im Süden letztlich die eigentlichen Ziele - unabhängige DNR und LNR in den Grenzen der einstigen Oblaste - als Kompromiss zu erreichen, welchem alle zustimmen.

Hätten sie hingegen nur dort gekämpft, dann wäre hier eine Zustimmung zu Gebietsverlusten für die ukrainische Führung schlicht unmöglich, sie würden es politisch nicht überleben. Aber zu den Zeiten, als Kiew fast eingekreist war, hätte man es vielleicht als Lösung gesehen.

Dafür spricht, dass Russland der Ukraine zwischenzeitlich Wortbruch nach den letzten Gesprächen in Istanbul vorwirft, ohne ins Detail zu gehen. Es könnte bedeuten, dass der Rückzug rund um Kiew als erstes Entgegenkommen vereinbart wurde, nun aber Kiew einen Rückzieher von weiteren Gesprächen macht.


Variante drohender Angriff der NATO / Giftgasforschung / Atomwaffen

Dass die USA auch mit ukrainischen Universitäten im Bereich Kampfmittel geforscht haben, ist bekannt. Was genau dies bedeutet, ist strittig.

Im World Wide Schwurbelnetz kursieren Theorien, dass in es unter Mariupol 50 km geheimer Gänge gäbe, in denen NATO-Offiziere festsitzen würden, etc.

Bekannt ist, dass Selensky bei der letzten Münchner Sicherheitskonferenz um Atomwaffen gebeten hat, nachdem Russland die Grenzen verschoben hat und damit das Budapester Abkommen (atomare Abrüstung der Ukraine im Gegenzug zu territorialer Anerkennung durch Russland) hinfällig ist. Es wurde wohl nicht widersprochen.

Ebenso habe ich schon die Variante gehört, dass es fixe Planungen gegeben hätte, Russland am 26.4. anzugreifen - weswegen Amerika auch so genau gewusst hätte, wann Russland zuschlägt. Diese Stellungen hätte demnach Russland beim Erstschlag zerstört, weswegen man sie nicht mehr nachweisen könnte.

Meine Formulierungen zeigen vermutlich schon, dass ich persönlich diesen Thesen wenig Glauben schenke, aber in so eine Liste der Varianten gehört es rein.


Variante Amerika schwächt Russland und Europa wirtschaftlich, China schaut zu

Wenn man es ganz nüchtern betrachtet profitieren aktuell vor allem Amerika und China.

Amerikas Militärbündnis ist sich einig wie nie, und hat neue spannende Beitrittskandidaten. Die Aufrüstungsziele, von denen auch die amerikanische Industrie profitieren wird, wurden deutlich hochgeschraubt. Wirtschaftlich wird Europa durch höhere Energiepreise leicht geschwächt, während Amerika durch Energieexporte gestärkt wird.

Der seit 2000 wieder erstarkte Konkurrent Russland wird politisch und wirtschaftlich völlig isoliert. Die Stimmung ist mies wie zuletzt in den 1970er Jahren und eine nochmalige Erholung wie die letzten 20 Jahre ist aktuell kaum vorstellbar.

China schaut ruhig zu: Als Markt wird Russland bedeutender, da China die Sanktionen nur toleriert, aber kaum beachtet. Russische Rohstoffe wird China nun wesentlich einfacher bekommen, dank der geografischen Nähe und fehlender anderer Abnehmer.

Ist Russland hier eventuell nur leichtsinnig über das Stöckchen gesprungen, welches Amerika provozierend hingehalten hat?


Variante Amerika dezimiert Russlands militärische Schlagkraft

Dieselbe Idee, nur aus militärischer Sicht: Für Amerika läuft es militärisch ideal ... fremde Soldaten dezimieren mit altem NATO-Schrott einen der größten Feinde. In Friedenszeiten hätte es niemals eine Chance gegeben, eine so entscheidende Dezimierung von Russlands Armee zu erreichen, nicht einmal mit Abrüstungsverträgen.

Nun verschießen die Russen ihre ganzen Iskander, verlieren Schiffe, von den Verlusten an Land (Panzer, Generäle, einfache Soldaten) ganz zu schweigen. Während die NATO keinen einzigen Soldaten einsetzt und nur größtenteils ausgediente Waffen meist noch auf Kredit an die Ukraine abgibt.

War dies vielleicht die ganze Idee? Aber wieso hat Russland diese Lunte nicht gerochen?
paramecium
Zar/iza
Zar/iza
Beiträge: 1219
Registriert: 01 Feb 2008, 20:29

Re: Besonnene Analyse der Situation in der Ukraine

Beitrag von paramecium »

Norbert hat geschrieben: 16 Apr 2022, 12:16
Variante Fehleinschätzung

Variante Eingriff so lange noch möglich
Beide Varianten treffen aus den von dir genannten Gründen in jedem Fall zu. Wobei ich nicht glaube, dass man wirklich Angst vor einem militärischen Sturz in Moskau hatte.
Norbert hat geschrieben: 16 Apr 2022, 12:16 Variante Ablenkungsmanöver Nordukraine mit Ziel Südukraine
Die Variante des Ablenkungsmanöver, insbesondere das freiwillige Abtreten von Gebieten, wurde von vielen Politik- und Militärexperten bereits als irrational bewertet. In einem Krieg gibt man Verhandlungsmasse nicht so einfach auf. Natürlich hat Russland zur Gesichtswahrung behauptet, dass die Gebiete als "Vertrauensbeweis" hergegeben wurden. Allerdings war der Rückzug wohl eher militärtaktischer Natur. Russland hat nördlich von Kiew massive Verluste erlitten. Das Gelände hat laut Aussagen der Experten wohl den Ukrainern bei der Abwehr in die Hände gespielt. Von Wäldern heraus konnten immer wieder kleine Einheiten Schläge gegen die Logistik der Russen führen. Neben den Brücken wurde zudem auch ein großer Damm gesprengt, wodurch der Vormarsch erheblich erschwert wurde. Zudem hat Russland laut Aussage dieser Experten auch viel zu wenig Soldaten mitgebracht um einen Vielfrontenkrieg zu führen sowie an diesen Positionen große Gebietsgewinne zu halten. Die einzig richtige Konsequenz war die Gebiete herzugeben um, nach Reorganisation der Einheiten, Erfolge im Osten der Ukraine zu erzielen.
Norbert hat geschrieben: 16 Apr 2022, 12:16 Variante drohender Angriff der NATO / Giftgasforschung / Atomwaffen
Die Variante drohender Angriff der NATO kann man ausschließen. Kein NATO-Staat und insbesondere nicht deren Bevölkerung will den 3. Weltkrieg.
Norbert hat geschrieben: 16 Apr 2022, 12:16 Variante Amerika schwächt Russland und Europa wirtschaftlich, China schaut zu
Variante Amerika dezimiert Russlands militärische Schlagkraft
Ist letztendlich eine Folge des russischen Angriffes, auch wenn die USA an der wirtschaftlichen Schwächung Europas kein Interesse haben. Vor ein paar Jahren war die NATO laut Macron noch "hirntot" und die Deutschen haben ihr 2%-Ziel bewusst nie erfüllt. Jetzt ist der Westen wieder zusammengerückt, was die USA stärken.
Die USA wollte sich in diesem Jahrhundert eigentlich China bzw. dem Pazifik zuwenden. Das Ziel der USA ist es einen westlichen Block mit einem starken Europa gegen das "unfreie" immer stärker werdende China zu bilden. Dabei hilft es wenig, dass nun Russland als Wirtschaftskolonie in die Hände Chinas getrieben wird. Ich bin mir sicher, dass man Russland als "neutrale Regionalmacht" lieber gesehen hätte.
Das man das Ganze jetzt geopolitisch voll ausspielt, wenn Russland sich so angreifbar macht, ist aber nicht verwunderlich. Letztendlich denkt man aber auch hier schon einen Schritt weiter und nutzt Russland um China aufzuzeigen, was bei einem Angriff auf Taiwan passieren würde.

Man kann meiner Ansicht nach aber ausschließen, dass Russland hier über irgendein Stöckchen gesprungen ist. Überhaupt war das Ganze doch nicht wirklich planbar. Wer hätte denn damit gerechnet, dass Russland ohne akuten Grund angreift? Wer hätte damit gerechnet, dass sie die ganze Ukraine angreifen und nicht nur den Donbas? Wer hätte damit gerechnet, dass sie militärtaktisch so schlecht aufgestellt sind? Wer hätte gedacht, dass die Ukraine länger als eine Woche durchhält?
Hätte der korrupte Selenski sich am zweiten Tag mit seiner Entourage ins Ausland verdünnisiert, wäre der Krieg sehr schnell zu Ende gewesen. Beispiele gab es in der Geschichte genug, zuletzt in Afghanistan. Russland hat am ersten Tag riesige Langgewinne, teils ohne große Gegenwehr gemacht. Aber anstelle aus Kiew zu flüchten, hat Selenski dieses legendäre (Мы все тут) Video aufgenommen, obwohl damals sehr ungewiss schien ob Kiew gehalten werden kann. Seit diesem Tag hat sich das Blatt Stück für Stück gewendet.
Benutzeravatar
saransk
Zar/iza
Zar/iza
Beiträge: 672
Registriert: 13 Nov 2011, 01:25
Wohnort: Augsburg / Saransk

Re: Besonnene Analyse der Situation in der Ukraine

Beitrag von saransk »

Auch heute wieder irgendwo gelesen, das RT behauptet, die Ukraine verfüge über 30 Bio-Waffen Labore.
Jetzt ist natürlich (abgesehen davon, ob diese Quelle überhaupt noch glaubhaft ist) dies erst mal nichts wirklich neues und beweiskräftiges.
Jedes Land hat solche Labore. Auch Deutschland, auch die Schweiz, auch Australien, Russland oder Brasilien. So what.
Diese dienen nicht nur militärischen Zwecken, sondern eher (eventuell sogar noch mehr) der Abwehr oder Maßnahmen nach Angriffen mit B-Waffen durch Terroristen. Das Attentat in der U-Bahn von Tokyo durch die Aum-Sekte hat die Verletzlichkeit in diesem Bereich doch explizit vor Augen geführt. Bio Waffen sind nun mal sehr leicht zu entwickeln und einzusetzen. Auch und besonders durch Terroristen oder Fanatiker.
Vorbeugen ist fast unmöglich. Aber die Abwehr gegen die dann eintrtende Verseuchung durch Einheiten des Katastrophenschutzes/der Armee und das bereitstellen von Gegenmittel/Antiseren/Impfstoffen ist Aufgabe eines jeden Staates. Und Forschungen hierzu in solchen B-Waffen Laboren sind dazu nun mal notwendig. Und wenn man selbst keien Pocken-, Cholera- oder sonstigen speziellen Erreger besitzt, kauft man diese bei denen, die eh schon lange damit forschen. USA, Russland und China z.B.
Benutzeravatar
lausi
Zar/iza
Zar/iza
Beiträge: 823
Registriert: 26 Feb 2010, 22:09
Wohnort: Oberlausitz/Kirovskaja Obl.

Re: Besonnene Analyse der Situation in der Ukraine

Beitrag von lausi »

paramecium hat geschrieben: 16 Apr 2022, 15:44 Variante Amerika schwächt Russland und Europa wirtschaftlich, China schaut zu
Variante Amerika dezimiert Russlands militärische Schlagkraft
Ist letztendlich eine Folge des russischen Angriffes, auch wenn die USA an der wirtschaftlichen Schwächung Europas kein Interesse haben.
Das sehe ich nicht so.
Die USA sind vor allem daran interessiert, keine Macht so stark werden zu lassne, dass sie zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für die einzige Weltmacht wird. Das gilt für Europa genauso wie für Russland und China.
Ich erinnere dazu nur an die Rede von George Friedman...
Dafür wurde in der Ukraine seit 1991 gezündelt.

Bezüglich der Beweggründe bin ich fast zu 100% bei Norbert, wobei ich nicht weiß, was ich über die Variante Ablenkung denken soll...
Am Ende ist es sicherlich eine Kombination aus den angeführten Beweggründen.
Eine mMn gute Wortmeldung hat auch Klonovsky abgegeben:
Es wird für mindestens eine Generation eine unüberbrückbare Kluft zwischen Russen und Ukrainern entstehen, sie werden als unvermischbare Feindvölker nebeneinander existieren, und das wird Wladimir Wladimorowitschs Werk gewesen sein.
Zuletzt geändert von lausi am 16 Apr 2022, 19:57, insgesamt 2-mal geändert.
“Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen!”
- Immanuel Kant
paramecium
Zar/iza
Zar/iza
Beiträge: 1219
Registriert: 01 Feb 2008, 20:29

Re: Besonnene Analyse der Situation in der Ukraine

Beitrag von paramecium »

saransk hat geschrieben: 16 Apr 2022, 19:44 Jetzt ist natürlich (abgesehen davon, ob diese Quelle überhaupt noch glaubhaft ist) dies erst mal nichts wirklich neues und beweiskräftiges.
Jedes Land hat solche Labore. Auch Deutschland, auch die Schweiz, auch Australien, Russland oder Brasilien. So what.
Kleiner Einwand. Bio-Waffen-Labore sind verboten und zumindest für Deutschland und die Schweiz würde ich solche Labore ausschließen. So etwas würde - gerade in Deutschland - vor der Öffentlichkeit nicht geheim bleiben und früher oder später ans Licht kommen.
Biologische Labore zu der von dir dargestellten defensiven Forschung sind natürlich erlaubt und in Besitz vieler Staaten.
paramecium
Zar/iza
Zar/iza
Beiträge: 1219
Registriert: 01 Feb 2008, 20:29

Re: Besonnene Analyse der Situation in der Ukraine

Beitrag von paramecium »

lausi hat geschrieben: 16 Apr 2022, 19:47 Das sehe ich nicht so.
Die USA sind vor allem daran interessiert, keine Macht so stark werden zu lassne, dass sie zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für die einzige Weltmacht wird. Das gilt für Europa genauso wie für Russland und China.
Ich erinnere dazu nur an die Rede von George Friedman....
Natürlich wollen die USA die einzige Weltmacht bleiben. Aber das können sie nur mit einem starken Europa. Aber gut das du George Friedman zitierst, dessen Vorträgen und Büchern kann ich bei den meisten Aussagen nur zustimmen. Gestern kam ein neuer sicherlich hörenswerter Podcast (Gallup) mit ihm heraus - den ich zwar noch nicht gehört habe - in dem er aber die aktuelle Situation bewertet und unter anderem wohl meinte, dass Putin Europa und den Westen in der aktuellen Situation für schwach hielt und nicht mit einer so starken wirtschaftlichen Reaktion des plötzlich vereinigten Westens gerechnet hätte. Das könnte man auch zu Norberts Variante "Fehleinschätzung" packen.
lausi hat geschrieben: 16 Apr 2022, 19:47 Eine mMn gute Wortmeldung hat auch Klonovsky abgegeben:
Es wird für mindestens eine Generation eine unüberbrückbare Kluft zwischen Russen und Ukrainern entstehen, sie werden als unvermischbare Feindvölker nebeneinander existieren, und das wird Wladimir Wladimorowitschs Werk gewesen sein.
Nein, bei der Zerstörung von Infrastruktur und dem unmittelbaren Leid werden das mindestens zwei eher mehr Generationen sein. Die Wortmeldung Klonivskys war offenbar am 28.03, also vor der Entdeckung des ganzen Grauen was wir zwischen Kiew und der belarussischen Grenze sehen.
Benutzeravatar
saransk
Zar/iza
Zar/iza
Beiträge: 672
Registriert: 13 Nov 2011, 01:25
Wohnort: Augsburg / Saransk

Re: Besonnene Analyse der Situation in der Ukraine

Beitrag von saransk »

paramecium hat geschrieben: 16 Apr 2022, 19:52 Kleiner Einwand. Bio-Waffen-Labore sind verboten und zumindest für Deutschland und die Schweiz würde ich solche Labore ausschließen. So etwas würde - gerade in Deutschland - vor der Öffentlichkeit nicht geheim bleiben und früher oder später ans Licht kommen.
Biologische Labore zu der von dir dargestellten defensiven Forschung sind natürlich erlaubt und in Besitz vieler Staaten.
Völlig korrekt.
Man kann dies aber schnell umgehen. Einfach die Labore an einer Universität (Uni-Klinik) ansiedeln, einen anderen Namen geben oder dies nur nebenbei laufen lassen. Denn wie schon geschrieben. Ein Angriff mit (nicht schnell identifizierbaren) B-Waffen ist für eine Gesellschaft und auch die staatlichen Organe der absolute Gau. Da muß dann ganz schnell was aus dem Ärmel gezaubert werden. Eine dadurch hervorgerufene Epidemie oder Panik ist nicht mehr beherschbar. Denn B-Waffen und B-Waffen Forschung heißt ja nicht unbedingt die Züchtung von Pest- oder Milzbranderregern, denn das fällt klar unter das von Dir genannte Verbot. Es reichen schon Thyphus, Malaria oder Cholera Bakterien. Und hiermit arbeitet ja auch ein gewöhnliches Tropeninstitut. Und wenn die Ukraine hier präventiv geforscht hat, auch im Auftrag oder mit Unterstützung anderer Staaten, ist das erst mal nicht verwerflich, wenn es der präventiven Forschung dient.
Ich war lange Jare bei der Bundeswehr auch als ABC-Abwehr Gruppenführer. Und wir haben in der Führerausbildung nicht nur Theorie gepaukt, sondern auch radioaktives Material (auf einem hierfür vorgesehenen und öffentlich nicht zugänglich Gelände) geortet und Gegenmaßnahmen probiert. Genauso wie mit Nervengas (also C-Waffen). Die sind aber eher "harmlos", weil es ausreichend Gegenmittel gibt und auch die Schutzmaßnahmen helfen, sowie der Einsatz imer nur lokal erfolgen kann. Aber B-Waffen sind unberechenbar. Ich war auch an einem Labor und habe mir die verschiedensten Erreger mal anschauen können, bzw Bilder von dadurch geschädigten Organen gesehen. Absolut unappetitlich.
Zuletzt geändert von saransk am 16 Apr 2022, 21:01, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
lausi
Zar/iza
Zar/iza
Beiträge: 823
Registriert: 26 Feb 2010, 22:09
Wohnort: Oberlausitz/Kirovskaja Obl.

Re: Besonnene Analyse der Situation in der Ukraine

Beitrag von lausi »

paramecium hat geschrieben: 16 Apr 2022, 20:14 ... in dem er aber die aktuelle Situation bewertet und unter anderem wohl meinte, dass Putin Europa und den Westen in der aktuellen Situation für schwach hielt und nicht mit einer so starken wirtschaftlichen Reaktion des plötzlich vereinigten Westens gerechnet hätte. Das könnte man auch zu Norberts Variante "Fehleinschätzung" packen.
Ich sehe die Fehleinschätzung eher so wie Norbert in Bezug auf die Reaktion der Bevölkerung und die Stärke der eigenen Armee.
Hervorgerufen dadurch, dass in die höchsten Posten (überall) am ehesten Ja-Sager aufsteigen und potjemkinsche Dörfer aufbauen.

Mit den wirtschaftlichen Reaktionen hat Russland sicherlich gerechnet und war ja vorbereitet. Den Wirtschaftskrieg gibt es ja schon lange, Nordstream 2 ist da ja nur die letzte Aktion des Westens.
Dass wir US-Interessen über unsere eigenen stellen sollen, zeigt u.a. das Verbot der Inbetriebnahme von North Stream I2 und die Abhängigkeit von LNG, für dessen Abnahme wir zusätzliche Terminals in unseren Häfen bauen müssen. Wir kommen den Erwartungen der USA nach bzw. zuvor, obwohl es Deutschland komplett ruinieren wird.
Am Ende des Tages werden wir mMn sehen, dass die Sanktionen für Westeuropa ein Schuß ins eigene Knie sind.
“Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen!”
- Immanuel Kant
paramecium
Zar/iza
Zar/iza
Beiträge: 1219
Registriert: 01 Feb 2008, 20:29

Re: Besonnene Analyse der Situation in der Ukraine

Beitrag von paramecium »

lausi hat geschrieben: 16 Apr 2022, 21:00 Mit den wirtschaftlichen Reaktionen hat Russland sicherlich gerechnet und war ja vorbereitet.
Nein, man hat ganz sicher nicht damit gerechnet, dass 300 Mrd., also die hälfte aller Devisen, der russischen Staatsbank weg sind, sonst hätte man sie gerettet. Man hat ebenfalls nicht damit gerechnet, dass sich Europa so schnell von Öl und Kohle verabschiedet. Man hat nicht damit gerechnet das Hunderte westliche Firmen den Betrieb in Russland freiwillig einstellen. Das haben ja auch diverse russische Politiker bereits zugegeben.
lausi hat geschrieben: 16 Apr 2022, 21:00 Verbot der Inbetriebnahme von North Stream I2 und die Abhängigkeit von LNG, für dessen Abnahme wir zusätzliche Terminals in unseren Häfen bauen müssen. Wir kommen den Erwartungen der USA nach bzw. zuvor, obwohl es Deutschland komplett ruinieren wird.
Am Ende des Tages werden wir mMn sehen, dass die Sanktionen für Westeuropa ein Schuß ins eigene Knie sind.
Sanktionen tun immer beiden Seiten weh, wenn sie nicht nur symbolischer Natur sind (z.B. Einreisesperren, Sperrung von Privatkonten). Was Nordstream 2 anbelangt, waren es vor allem unsere europäischen Nachbarn - und nicht nur die USA - die dieses Projekt kritisch gesehen haben. Wie wir jetzt wissen auch vollkommen zurecht. Kapazitätstechnisch wurde diese zweite Ostseepipeline laut DIW sowieso nicht benötigt.

Und komplett ruiniert werden wir sicher nicht, es sei denn wir haben eine andere Definition von ruiniert. Ja, eine Diversifizierung des Gasimports wird sehr weh tun, aber letztendlich wird das auch viele Dinge im Bereich der erneuerbaren Energien möglich machen, die bisher verhindert werden und genau das wird uns letztendlich eine größere Energie-Unabhängigkeit (auch von den USA) geben. Die Wirtschaftsexperten haben zu dem Thema Gas teils sehr unterschiedliche Ansichten. Die Frage ist auch, ob es zu einem Abschalten des Gases seitens Russlands überhaupt kommt. Russland hat es damit offensichtlich in der aktuellen wirtschaftlichen Situation nicht so eilig. Die deutsche Regierung hat mehrfach betont, dass wir aus Eigeninitiative auch kein Embargo machen. Jeder Monat den Putin weiter liefert gibt uns die Möglichkeit das etwas geordneter umzustellen. Die Wirtschaft ist auf jeden Fall aktuell schon dabei, wie ich an der Firma sehe in der ich aktuell arbeite.
Aber vielleicht kommt es ja auch gar nicht zum kompletten Verzicht auf russisches Gas, falls dieser Krieg doch noch in einer Form endet, in der Teile der Sanktionen aufgehoben werden können.
willi
Zar/iza
Zar/iza
Beiträge: 904
Registriert: 28 Mär 2018, 14:01
Wohnort: Nizhnij Novgorod

Re: Besonnene Analyse der Situation in der Ukraine

Beitrag von willi »

Im letzten Sommer war auf FOCUS und Spiegel zu lesen dass die Ukrainer ihre Truppen in den Osten verlegen für einen eventuellen Befreiungsschlag gegen die Separatistengebiete. Habe gewartet und mich gewundert dass anschließend nichts mehr kam.
https://www.osce.org/ukraine-smm/report ... sc&rows=10
Tagesberichte der OSZE Beobachtungsmission im Dombass. Wenn man mal paar Monate zurück geht, z.B. Oktober 2021 dann ist bereits täglich von 50-200 Explosionen die Rede, also Artilleriebeschuss zusätzlich zum normalen Gewehrfeuer. Nix davon in den Medien und Scholz hat den angesprochenen Genozid verneint.

Die Russen sind mit 200.000 Mann an den Start gegangen, also inetwa gleich der ukrainischen Armee. Schwer vorstellbar dass der Plan gewesen sein soll die gesamte Ukraine zu überrennen. Ich denke eher dass man bis zum Dnjepr wollte, da der Fluss durch seine Breite eine natürliche Grenze ist. Dazu noch die Wasserversorgung der Krim sichern. Warum Kiew? wahrscheinlich wegen der erwarteten Kapitulation.

Was aber mit Sicherheit keiner auf dem Schirm hatte war diese emotionale Eruption in Deutschland. was ich nicht beurteilen kann ist ob es in anderen Ländern auch so ist oder ob es nur die Regierungen sind die grosse Worte schwingen.
Auf dem Weg von Cz, über Sk nach Budapest auf Landstraße und durch viele Städte habe ich vorgestern genau ein Ukraine Plakat gesehen. Und die Wertstoffcontainer waren schon vor dem Krieg blau und gelb
Wahnsinn kennt keine Grenzen
Antworten

Zurück zu „Politisches Forum“