Der deutsche Kleingarten

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Wladimir30
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Re: Frankfurt - Bahrein - Moskau

Beitrag von Wladimir30 »

Also jetzt bin ich echt baff. Mir gerade diese Tage ein Freund per voicemail kurz was erzählt über seinen Schrebergarten, wo er auch Obst und Gemüse habe, klar, irgendwie wegen der Quote, also das müsse so sein und so. Aber das war so nebenbei, dass ich da gar nicht weiter drauf geachtet habe. Nun lese ich hier, dass es wirklich so ist, dass man einen bestimmten Prozentsatz an Fläche für den Anbau von Gemüse nutzen muss???

Nein, echt? Oh Mann, das ist ja irre. Es ist unglaublich, was man so alles regeln kann.....

Nun wird es langsam interessant, wie hier der Bezug zu Bahrain hergestellt werden kann......
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Saboteur
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Re: Frankfurt - Bahrein - Moskau

Beitrag von Saboteur »

Off topic hoch 100 aber nun muss ich einmal etwas dazu sagen. Aus Sicht eines Kleingärtners und Mitglied eines Vorstandes ;)

- tatsächlich gibt es die Verpflichtung den Garten kleingärnterisch zu nutzen. Man spricht grob von einer drittel Regelung. 1/3 Obst und Gemüse, ein Drittel Erholung, ein Drittel Wege und Laube.
- 10% sollten dabei Grabeland sein. Also unterm Spaten.
- anrechnungsfähig dabei sind auch Obststräucher und Obstbäume (je nach dem ob viertel oder hochstamm)
- dafür hat man dann das Privileg ein Stückchen Erde in der Stadt für extrem wenig Geld zu pachten und bis zum Lebensende zu nutzen
- zurück geht das auf das Bundeskleingartengesetz. Wir als Verein achten darauf, da die Kleingärten natürlich unter Druck stehen und beäugt werden. Norbert hat schon geschrieben warum.
- die Höhe der Hecken ist auch begrenzt. Der Hintergrund ist hierbei, dass eine Kleingartenanlage wie öffentliches Grün ist und eben auch für Nachbarn und Anwohner offen steht und die sich in den Anlagen bewegen und erholen dürfen und sollen. Was zumindest bei uns auch regelmäßig stattfindet.
- Kleingärten mit extremen hohen Hecken und einer damit einhergehenden Abschottung haben ein anderes bzw. kein soziales Miteinander
- man kann von alledem halten was man möchte, aber man sollte sich vorher damit auseinandersetzen und wenn das einem eben zu blöd ist dann eher ein Freizeitgrundstück kaufen oder pachten.
- das können aber die Wenigsten, sodass solch ein Kleingarten für viele eben eine erschwinglicher und sinnstiftender Ort darstellt.
- ich persönlich empfinde diese Regelungen nicht als Gängelei. Wenn man dazu neigt, wird man da sicher nicht glücklich.
- die Zeiten von der Rasen mit dem Lineal gemessen wird und jede Pflanze die nicht erwünscht wird, aktivisch bekämpft wird sind vorbei
- in unserer Anlage findet sich ein kompletter Spiegel der Gesellschaft wieder. Inklusive sämtlicher Milieus und migrantischen Familien (wo gibt es sowas sonst?).
- alles in allem ist das eben auch ein Stück Tradition und Kultur und hat in meinen Augen sei Existenzberechtigung. Ich finde es schade, wenn da so wie häufig die Nase gerümpft wird. Leben und leben lassen…
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Wladimir30
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Re: Frankfurt - Bahrein - Moskau

Beitrag von Wladimir30 »

Also mir lag es absolut fern, die Nase zu rümpfen oder sonstwas. Wenn es so rübergekommen ist, dann tut es mir leid.

Das einzige, was mich bei solchen Gartenkolonien stört, ist das man sich zu dicht auf der Pelle hockt. Zumindest waren das meine Erfahrungen. Der ein Nachbar hört Pop, der andere Rap. Und man sitzt da in der Mitte und kriegt es nicht mehr gebacken. Na ja, das ist zugegebenermaßen mein Problem, ich weiß.

Was gut sein kann, ist in der Tat das Miteinander von verschiedenen sozialen Schichten, wo der Nachbar nicht Direktor X oder so was ist, sondern mit Vornamen angesprochen wird und man evtl. erst später erfährt, wer er denn so im Berufsleben ist. Klar, das ist ne tolle Sache.

Jedoch, ich habe ganz generell etwas gegen eine zu große Regelwut. Das ist nicht so meins, geb ich zu.

Also nochmals, sorry, falls das falsch rüberkam.
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Norbert
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Re: Frankfurt - Bahrein - Moskau

Beitrag von Norbert »

Absolut, Saboteur, so war auch die Wahrnehmung bei meinen Eltern. Der bezahlbare Kleingarten mitten im Stadtgebiet ist etwas ganz Tolles und so gibt es das wohl nur in Deutschland.

Wer etwas anderes möchte - einen privaten Park, ein reguläres Haus, etc. - der kann/muss sich zu Marktpreisen ein gleichwertiges Grundstück kaufen. Dort ist dann viel mehr erlaubt.
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Bluewolf
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Re: Der deutsche Kleingarten

Beitrag von Bluewolf »

alles in allem ist das eben auch ein Stück Tradition und Kultur und hat in meinen Augen sei Existenzberechtigung. Ich finde es schade, wenn da so wie häufig die Nase gerümpft wird. Leben und leben lassen…
Eher als Ergänzung, wie auch mehrfach erwähnt:
Es kommt auch ganz darauf an, was man unter Erholung versteht. Als "jüngerer" Mann bin ich auch gerne auf Straßen- oder Weinfeste gegangen. Heute fühle ich mich in solchen Menschenansammlungen unwohl.
Genau so geht es mir mit Kleingärten. Die haben aus allen genannten Gründen natürlich ihre Fans und Daseinsberechtigung. Aber Erholung ist für mich was anderes, trotz absolutem Faible für Gartenbau. Wegen letzterem kommt auch ein reines Freizeitgrundstück nicht in Frage. Auch dabei wird, zumindest in der Gegend hier, nämlich geregelt ob, oder wieviel Platz überhaupt für Obst- und Gemüse verwendet werden darf. Außerdem ist es eingezäunt.
Ich habe das "Glück" väterlicherseits aus einer Bauernfamilie, auch mit Tierhaltung, zu stammen (ich glaube die Stories mit fliegenden Hühnern ohne Kopf, wie macht man Blut- und Leberwurst, Gselchtes usw. hatte ich schon mal erwähnt :)).
Wir hatten ungefähr einen Hektar Gemüseacker in Erbpacht in der Nähe des Dorfes und 4 Hektar Kartoffelacker ca. 30 km entfernt. Mein Vater ist mehrfach noch bis Mitte 60er während der Saison mit dem Fahrrad und Anhänger Kartoffeln holen gefahren (später dann mit dem Traktor ;)). Und ja, ich kenne das alles auch noch mit Großfamilie (>20), da waren auch noch Uropas dabei, die zwei Kriege überlebt hatten. Sie hatten die Ernte immer so geplant, dass eine der Kartoffelernten immer mit der Ernte von Busch- oder Brechbohnen zusammen fiel. Offenes Feuer gemacht, Kupferkessel an einem Dreibein drüber, fettes Schweinefleisch, die frischen Bohnen und Kartoffeln + etwas Brühe und Kräuter -> LECKER. Dazu noch Hansa oder Apfelmost, und gut ist.
Den Acker habe ich gemeinsam mit meiner Schwester u. a. geerbt, aber leider keine Zeit zur Beackerung mehr. Verkauft werden darf er aber auch nicht, also sehe ich halt zweimal im Jahr nach. Und daher zurück zum Thema Erholung:
Es gibt hier noch eine weitere Kategorie von Grundstücken, sind eigentlich Flurstücke. Das sind einfach Wiesen mit Obstbestand, die man nicht einzäunen darf (meist wegen Wildwechsel), aber kleinere Hütten mit Veranda und Hecken sind erlaubt. Dort zu Grillen und das Wasser am nahen Bach zu hören, das ist für mich Erholung.
"jedem Tierchen sein Pläsierchen" :lol:
Ach ja, und der kleinere Acker wurde Mitte der 80er dann tatsächlich zum Neubaugebiet. Leider hatten es die Großeltern verpasst die Erbpacht rechtzeitig zu verlängern...
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Re: Frankfurt - Bahrein - Moskau

Beitrag von arghmage »

Wladimir30 hat geschrieben: 22 Jun 2022, 15:58 Also mir lag es absolut fern, die Nase zu rümpfen oder sonstwas. Wenn es so rübergekommen ist, dann tut es mir leid.
Dasselbe gilt auch für mich. Ich wollte da nix schlechtreden. Wenn es aber zuviel Gängelei wird, dann darf halt jemand anders ran, und man wird ja den Garten auch (mind.) ohne Verlust wieder los.
Das wird aber auch in jedem KGV unterschiedlich gehandhabt, von daher kann man es gut erwischen oder auch schlecht.
Unser Vorstand hat übrigens geklagt, daß immer mehr Ausländer (->Russen) einen Garten übernehmen. Wird dann spannend, wenn die mal im Vorstand sind und die Regeln etwas anders auslegen :lol:

edit: hier mitten in der Großstadt kam uns der Garten mit ca. 300qm übrigens ca. 2000€ Ablöse, Gartenhaus 13qm massiv, Baujahr 1970 (und noch Asbest auf dem Dach), Pacht pro Jahr ca. 180 Euro.
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Re: Der deutsche Kleingarten

Beitrag von ascombie »

In einem deutschen Kleingarten ist gefühlt fast alles verboten. Es gibt eigentlich für alles ein ganz und gar kleinteiliges Regelwerk. Ich habe mir letztes Jahr auch einen Schrebergarten gekauft. Die Preise sind momentan sehr hoch und übertreffen die Schätzpreise durch einen amtlichen Schätzer bei weitem.
Der Garten gehörte zuvor einer deutschruss. Familie. Auch meine Nachbar sind meistens Ausländer bzw. nicht in Deutschland Geborene. Der Vorstand ist dagegen noch zu 100 % in deutscher Hand.
Mein Kleingarten selber ist ein Ausbund der Illigalität. Fast nix entspricht eigentlich den peniblen Vorschriften. So beträgt die Grundfläche der Gartenlaube 30qm statt 24 qm. Daneben ist die Toilette von der Laube aus zugänglich und es gibt noch zwei nicht in die Laube integrierte Geräteschuppen. Daneben auch einen überdachten illegalen Freisitz an der Laube und eine verbotene Sickergrube, in welchen das städtische Trinkwasser fließt.....
Auch die Bepflanzung ist völlig gegen das hannoversche Kleingartengesetz wie z.B.eine Koniferenhecke etcpp. Die Rasenfläche ist zudem zu groß; die Gemüsefläche ist zu klein usw. Aber diese spezielle Aufteilung interessiert heute eigentlich keinen mehr.
Alle diese Verstöße gegen die Gartenordnung wurden vom Schätzpreis abgezogen, so dass ich eigentlich nichts mehr hätte bezahlen müssen..... Trotzdem wollte der Vorpächter doch noch einige Tausend Euro haben.
Vom Vorstand wurden mir - bis auf eine Kleinigkeit - keine weiteren Auflagen hinsichlich der Korrektur der illegalen Zustände gemacht - jedenfalls bis jetzt.
Vermutlich gibt es in Deutschland kaum einen in rechtlicher HInsicht vorschriftsmäßigen Kleingarten. Auch hatten sich in der Vergangenheit die Gesetze immer wieder geändert. Meistens wurden sie immer weiter verschärft.
Zuletzt geändert von ascombie am 23 Jun 2022, 22:36, insgesamt 1-mal geändert.
m1009

Re: Der deutsche Kleingarten

Beitrag von m1009 »

ascombie hat geschrieben: 23 Jun 2022, 22:30
Vermutlich gibt es in Deutschland kaum einen in rechtlicher HInsicht vorschriftsmäßigen Kleingarten.
Russland.

I like.

:lol:
arghmage
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Re: Der deutsche Kleingarten

Beitrag von arghmage »

@ ascombie
Was der Vorpächter haben will, ist doch im Prinzip egal. Es wird alles geschätzt und der Preis wird gezahlt, der Vorpächter hat da nix zu melden. Bei uns im Schätzprotokoll war jede Erdbeerpflanze aufgeführt :lol:
Ok über Gerätschaften etc. muß man sich einigen aber wenn man das nicht zahlen will, muß es der Vorpächter ja ausräumen.
Und Toilette ... sowas geht ja gar nicht. So ein kleines Chemieklo geht aber ja nicht so ein normales Plumpsklo.
Auch Nadelgehölze sind ein no go... mein Vorpächter hatte Thujahecke, mußte er alles rausreißen.
Strom gab es auch nicht ... Solarzelle ... gerne mit Genehmigung ...

Aber ist halt typisch deutsch, alles bis zum Erbrechen geregelt. Und dann schaut man in den Garten des Vorstandes ... und sieht ein Paralleluniversum :roll:
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Saboteur
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Re: Der deutsche Kleingarten

Beitrag von Saboteur »

Es kann schon sein, dass es typisch deutsch und kleinteilig geregelt ist. Ich vermute, dass ein größerer Teil der Regeln eben auch sicherstellen soll, dass eine größere Menge Menschen auf sehr engem Raum eben miteinander zurecht kommt. Die Regeln bei der Bepflanzung gibt es auch. Stimmt! Der Hintergrund ist aber auch hier nachvollziehbar. Nadel/ und Waldbäume (und Koniferen) sind nicht erlaubt, da der Boden sauer wird. Außerdem führen hohe Bäume zur Verschattung der Nachbargärten. Eines der wichtigsten Argumente ist aber, dass diese Bäume Krankheiten begünstigen und Schädlinge beherbergen. Also der Hintergrund ist, dass der Obstbaumbestand geschützt wird. Der Kirschlorbeer ist auch zumindest umstritten. Das liegt aber eher daran, dass er keinen biologischen Nutzen erfüllt, da die Blüten keinen Wert für die Bienen und Hummeln darstellen.

Bei den Preisen und Schätzungen ist es so, dass die Schätzung sich auf Gebäude und Aufwuchs bezieht. Bei dem Gebäude wird nur einfach gewertetet. Also ein Wasserhahn ist ein Wasserhahn egal ob 20,- Variante von Obi oder aus purem Gold. Das ist manchmal für abgebende ein böses Erwachen, da manche Tausende Euro in den Garten stecken und das vom nachfolgenden Pächtern wieder haben wollen. Was nicht Sinn der Sache ist. Alles was zurückgebaut werden muss, ist tatsächlich wertmindernd. Frei verhandelbar ist dagegen der Abstand für Geräte und Inventar. Streng genommen müsste der Vorpächter den Garten dann besenrein beräumen wenn man sich nicht einig wird. Da wird tatsächlich oft Missbrauch betrieben. In unserem Verein wird darauf geachtet, dass diese Schätzungen und auch Vorstellungen für Inventar angemessen ist, da der Nachfrageüberhang nicht dazu führen soll, dass nur noch Besserverdienende den Garten bekommen. Das ist aber sehr unterschiedlich in Deutschland. Viele gucken da auch weg.
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