Asyl für RUS - Deserteure . . . ?

Debatte zu den Konflikten in der Ukraine. Wir bitten insbesondere hier um eine zivilisierte Kommunikation. Aus schlechter Erfahrung beschränken wir jedoch auch bei diesem Thema die Zugriffe auf jene Benutzer, die explizit an der Diskussion teilnehmen möchten, wie bereits im "Politischen Forum".
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Tonicek
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Asyl für RUS - Deserteure . . . ?

Beitrag von Tonicek »

Das Thema ist ja auch in DE aktuell: Sollen Deserteure, die dem Krieg in RUS / UA entgehen wollen, Asyl bekommen?

Dazu fand ich einen sehr guten, hochintellektuellen Artikel in meinem Lieblingsmagazin CICERO.
Da der Artikel hinter einer Bezahlschranke sich verbirgt, hab' ich mal "copy and paste" angewandt und hier hinein kopiert:

Asyl für russische Deserteure

Lieber Volksaufstand in Moskau als Dolce Vita im Westen


In der deutschen Politik gibt es eine große Bereitschaft Menschen aufzunehmen, die sich ihrer bevorstehenden Einberufung zur russischen Armee durch Flucht entziehen wollen. Doch dies könnte Putins Machtposition im eigenen Land befördern.

VON MATHIAS BRODKORB am 24. September 2022

AUTORENINFO : Mathias Brodkorb war Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern und gehört der SPD an.

Kaum hatte die Teilmobilmachung in Russland begonnen, setzten in Russland zaghafte öffentliche Proteste ein. Von Beginn an gelten dabei nicht nur die militärische Unterstützung der Ukraine und diplomatische Bemühungen als mögliche Hebel zur Einhegung oder gar Beendigung des Krieges, sondern auch die innenpolitische Destabilisierung Russlands.
Vor allem die Sanktionen des Westens zählten von Anfang an genau hierauf ab. In Russland sollten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten möglichst so groß werden, dass Putin für seinen Kriegskurs öffentlichen Rückhalt verliert – oder der Mut seiner innenpolitischen Gegner im gleichen Takt steigt wie die wirtschaftlichen Probleme. Mit der Teilmobilmachung dürfte Putin nun selbst einen gewichtigen Faktor zur innenpolitischen Destabilisierung geschaffen haben, zumindest steigt dafür die Chance.

Wie viele Flüchtlinge kann sich Deutschland noch leisten?

Wenn man Druck im Kessel erzeugen will, darf man eines allerdings nicht machen: die Ventile öffnen. Aber es dauerte angesichts der Veröffentlichung von Bildern über junge russische Männer, die dem Kriegsdienst durch Flucht ins Ausland entkommen wollen, nur wenige Stunden. Prompt überboten sich vor allem deutsche Politiker quer durch alle Parteien darin, für „Deserteure“ und Kriegsunwillige eine Einreisegenehmigung oder gar Asyl zu fordern.
Ob Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen), Johannes Vogel (FDP), Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) oder Johann Wadephul (CDU), der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion: Sie alle wollen möglichst großzügig sein, wenn es darum geht, den Gegnern Putins zu helfen. Nancy Faeser stellte auf Twitter schon einmal klar, dass russische Deserteure „im Regelfall“ in Deutschland aufgenommen würden.
Menschlich und humanitär kann man das alles verstehen. Und blenden wir auch einfach die Frage aus, wie viele Asylbewerber sich Deutschland angesichts seiner sich auftürmenden Finanzprobleme eigentlich noch objektiv leisten kann – und wie viele die deutsche Bevölkerung subjektiv noch aufzunehmen bereit sein wird. Entscheidend ist eine ganz andere Frage.

Nur Putin-Patrioten würden in der Armee übrig bleiben

Wenn Putin seine innenpolitische Legitimation verlieren soll, um den Krieg auch hierdurch möglichst schnell zu beenden, müssen seine Gegner und Kritiker in Russland zahlreicher werden und nicht ins Ausland fliehen. Wird diese Entwicklung auch noch durch den Westen forciert, stabilisiert dies kurz- und mittelfristig umgekehrt die Macht Putins in seinem eigenen Land.
Und auch der Durchhaltewillen der russischen Armee nimmt auf diese Weise zu, weil in ihr am Ende nur die Putin-Patrioten übrig bleiben. Es ist jedenfalls kein Zufall, dass auch der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, so ganz und gar nichts vom Asyl für russische Deserteure hält: „Junge Russen, die nicht in den Krieg ziehen wollen, müssen Putin und sein rassistisches Regime endlich stürzen, anstatt abzuhauen und im Westen Dolce Vita zu genießen.“
Andernfalls wäre es dann ungefähr so wie mit den Referenden in der Ostukraine: Die werden mit hoher Wahrscheinlichkeit zugunsten Russlands ausfallen. Und das liegt nicht nur an Angst und Repression der Besatzungsmacht. Es liegt auch daran, dass die pro-ukrainischen Ost-Ukrainer die Region zu erheblichen Anteilen verlassen haben und an der Abstimmung gar nicht mehr teilnehmen können.
Das Dilemma ist seit Beginn des Krieges und schon Jahre zuvor dabei immer wieder dasselbe: Während Putin mit dem Instrument der Skrupellosigkeit agiert, taumelt der Westen im Gewande der Moralität von einem Fettnäpfchen ins andere. Man möchte kurzfristig helfen, weil „die Herzen weit“ (Joachim Gauck) sind, aber man bedenkt nicht das langfristige Ende. Skrupellosigkeit lässt sich nämlich nur mit vergleichbarer Härte bekämpfen – und nicht „mit Fanta und mit Butterkeks“.

Osteuropäische Nachbarn möchten keine Deserteure aufnehmen

Gewiss, es wäre in gewisser Weise zynisch, russischen Deserteuren deshalb die Einreise nach Deutschland zu verweigern, weil die ganze Welt sie als Gegner Putins im eigenen Lande braucht. Zum Beispiel als Soldaten, die sich als Saboteure verdient oder nur Dienst nach Vorschrift machen und so die Kampfkraft der Truppe schmälern. Dieser ganz unmoralisch erscheinende Zynismus ist nicht selbst gewollt, sondern von außen aufgezwungen. Und er wäre wahrscheinlich jenes Stahlbad, durch das die zarte westliche Seele hindurch müsste, um Putin in seiner Kaltschnäuzigkeit endlich ebenbürtig zu werden und selbst weniger Fehler zu begehen.

Unsere Partner im Osten haben eine derartige Kur dabei übrigens nicht nötig. Neben Estland, Litauen und Lettland will auch Tschechien keine russischen Deserteure aufnehmen. So sehr Außenminister Jan Lipavský die Teilmobilmachung in Russland erst vor wenigen Tagen vor den Vereinten Nationen auch verurteilt hat, so sehr lehnt er die Aufnahme russischer Deserteure ab. „Wer den Pflichten gegenüber seinem eigenen Staat nicht nachkommen wolle, erfülle damit (…) noch nicht die Bedingungen für die Erteilung eines humanitären Visums“, zitiert ihn die Tagesschau. Das ist zynisch. Aber wir leben auch in zynischen Zeiten.

QUELLE: CICERO - Heft Oktober 2022
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werner
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Re: Asyl für RUS - Deserteure . . . ?

Beitrag von werner »

In der Zeit vom Maidan in Kiew sind laut Stimme Russland etwa fast eine Million
Ukrainische Jungs nach Russland geflüchtet. Sie hatten bestimmt keine Lust,
für ihre Regierung das Leben zu lassen. Bestimmt kennt jemand von Euch die
konkreten Zahlen der Emigrierten.
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HJ52
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Re: Asyl für RUS - Deserteure . . . ?

Beitrag von HJ52 »

In der Zeit vom Maidan in Kiew sind laut Stimme Russland etwa fast eine Million
Ukrainische Jungs nach Russland geflüchtet.
Ich war erst gestern wiedereinmal auf der Migrationsbehoerde, Abteilung RVP und Registration. Hauptsächlich Ukrainer, die dort in der Schlange stehen.
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Tonicek
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Asyl für RUS - Deserteure . . . ?

Beitrag von Tonicek »

Was meinst Du? In welcher Migrationsbehörde? In DE oder in RUS ?
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HJ52
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Re: Asyl für RUS - Deserteure . . . ?

Beitrag von HJ52 »

HJ52 hat geschrieben: 30 Sep 2022, 10:44 Abteilung RVP und Registration
Zentralrussland. Kleinstadt mit 45.000 Einwohnern.
lerne schweigen ohne zu platzen.
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Re: Asyl für RUS - Deserteure . . . ?

Beitrag von arghmage »

Also flüchten die Ukrainer nach Russland und die Russen woanders hin? Wäre doch letztendlich gut, wenn beiden Seiten die Soldaten ausgehen (wird aber leider nicht passieren).
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lausi
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Re: Asyl für RUS - Deserteure . . . ?

Beitrag von lausi »

arghmage hat geschrieben: 30 Sep 2022, 11:50 Also flüchten die Ukrainer nach Russland und die Russen woanders hin?
Am Ende flüchten alle nach DE, denn wir haben ja Platz...
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Re: Asyl für RUS - Deserteure . . . ?

Beitrag von Bluewolf »

Haben wir in der Tat. Wir müssten nur bestimmte Landstriche etwas attraktiver "vermarkten".
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Re: Asyl für RUS - Deserteure . . . ?

Beitrag von lausi »

Bluewolf hat geschrieben: 30 Sep 2022, 12:46 Haben wir in der Tat. Wir müssten nur bestimmte Landstriche etwas attraktiver "vermarkten".
Brauchen wir gar nicht. Solange das Geld fließt, passt das schon...
Die Bundesregierung ermöglicht registrierten Geflüchteten aus der Ukraine einen frühzeitigen Wechsel in die Grundsicherungssysteme. Ab Juni sollen sie umfassende Hilfen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts, zur Gesundheitsversorgung und zur Integration erhalten. Das hat das Kabinett beschlossen.
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Re: Asyl für RUS - Deserteure . . . ?

Beitrag von kamensky »

lausi hat geschrieben: 30 Sep 2022, 12:55
Die Bundesregierung ermöglicht registrierten Geflüchteten aus der Ukraine einen frühzeitigen Wechsel in die Grundsicherungssysteme.
Was ist daran zu bemaengeln? Hilfeleistung bei gesundheitlichen Beschwerden ist ein Grund- und Menschenrecht. Zudem sichert es den behandelnden Aerzten und Kliniken ein Bezahlung der vorgenommenen Leistung zu. Anderfalls wuerden vorgenannte moeglicherweise auf unbezahlten Dienstleistungen sitzen bleiben, was wirtschaftlich sicherlich auch nicht viel Sinn machen wuerde und moeglicherweise die Qualitaet fuer Einheimische darunter leiden koennte infolge von Mangel an finanziellen Investitionen auf bspw. Neuanschaffung, Reperatur oder Unterhalt von medizinischen Geraeten. Es ist gesetzlich verankert, dass einem Menschen, welcher medizinische Hilfe benoetigt, diese notfalls fuer den betroffenen Patienten kostenlos zur Verfuegung zu stellen. Einfach nur "abserbeln" lassen waere wohl mit der Gesetzgebung und Justiz nicht vereinbar.
ATTN @all: Ich bin weder der Verfasser noch ein Redaktionsmitarbeiter von der/den vorstehenden Verlinkung/en.
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